Fruehling
aufzuhalten, aber die Welt um sie herum ist wieder trübsinnig geworden, es regnet, es trieft, man wundert sich, daß es nicht Schnee ist, soviel Indifferenz scheint im Himmel zu sein. Auf der Erde ist Frühling und im Himmel Ablehnung, und ich übersetze (endlich nun) die Briefe der Marianna Alcoforado. Da ist dasselbe Verhältnis, Chamilly war der Himmel, aber Gott war ohne Zweifel gerade auf Erden mitten in diesem unvergänglichen Herzen der portugiesischen Nonne. Ich sehe, wasfür eine Schmach die deutsche Übertragung war und mich freuts, von den hinreißendsten Briefen, die je geschrieben worden sind, eine persönliche und überzeugte Version zu geben. Wasfür eine rücksichtslose Herrlichkeit, aber wie furchtbar , Liebe zu entzünden, welcher Brand, welches Unheil, welcher Untergang. Selbst zu brennen freilich, wenn mans kann, ja das möchte wohl
des Lebens und des Todes werth sein. So ein Verhältnis wie das der Nonne müßte an den Ausgang aller Tage zu liegen kommen, diese Schreye und dann nur noch eine kleine Stille, durchgehend, un silence universel , und dann gleich die Posaunen. Es ist lächerlich, nach dieser Stimme, diesem Erlebnis, das durch alle Grade des Herzens hindurchreicht, noch weiter Liebe zu stümpern, ein bischen glücklich, nicht hinreichend unglücklich zu sein und mit alledem Zeit zu verbringen, die gewissermaßen schon verbracht ist, eh man sie anfängt.
Taxis I (10. 4. 1913), 283 f.
L iebhaben von Mensch zu Mensch: das ist vielleicht das Schwerste, was uns aufgegeben ist, das Äußerste, die letzte Probe und Prüfung, die Arbeit, für die alle andere Arbeit nur Vorbereitung ist. Darum können junge Menschen, die Anfänger in Allem sind, die Liebe noch nicht: sie müssen sie lernen. Mit dem ganzen Wesen, mit allen Kräften, versammelt um ihr einsames, banges, aufwärts schlagendes Herz, müssen sie lieben lernen. Lernzeit aber ist immer eine lange, abgeschlossene Zeit, und so ist Lieben für lange hinaus und weit ins Leben hinein –: Einsamkeit, gesteigertes und vertieftes Alleinsein für den, der liebt. Lieben ist zunächst nichts, was aufgehen, hingeben und sich mit einem Zweiten vereinen heißt (denn was wäre eine Vereinigung von Ungeklärtem und Unfertigem, noch Ungeordnetem –?), es ist ein erhabener Anlaß für den Einzelnen, zu reifen, in sich etwas zu werden, Welt zu werden, Welt zu werden für sich um eines anderen willen, es ist ein großer, unbescheidener Anspruch an ihn, etwas, was ihn auserwählt und zu Weitem beruft. Nur in diesem Sinne, als Aufgabe an sich zu arbeiten (»zu horchen und zu hämmern
Tag und Nacht«) dürften junge Menschen die Liebe, die ihnen gegeben wird, gebrauchen. Das Aufgehen und das Hingeben und alle Art der Gemeinsamkeit ist nicht für sie (die noch lange, lange sparen und sammeln müssen), ist das Endliche, ist vielleicht das, wofür Menschenleben jetzt noch kaum ausreichen.
Briefe I (Franz Xaver Kappus, 14. 5. 1904), 76
L iebes Herz, ich habe Gott lange nichts gebeten (denn um meine Kunst, bitt ich ihn nicht, dazu sind wir zu stolz gegen einander: die muss er mir ins Herz stürzen, wenn ers nicht lassen kann –) Schwester, nun bitt ich ihn, er möchte mich Dich lieben lassen, Benvenuta, mit allen Wurzeln meines Herzens, so dass diese Liebe Dir wohlthäte, schönes Herz, dass sie Deine Freudigkeit in Dir unterhielte, dass sie der Garten sei zu der wunderbaren Jahreszeit, die Du mir entgegenbrausest, unsterbliche Freude; dass sie ein Garten sei: denn siehe, ein Garten müht sich nicht, wenn er blüht, es ist ihm eine Lust, er meint auszuruhen in jeder Blume; oh Schwester, was hab ich denn gethan, dass ich immer zu leisten bekam in der Liebe, dass ich ihre sonnigen Früchte nie trug, durch meine Natur, wie ein Orangenbaum seine unschuldig-seelige Fülle; dass ich damit hin- und wieder ging wie ein Marktsklave, beladen, Vorräthe tragend, die ich nicht sah, die der Gott über mich hin kaufte und in seinen Gastmahlen aufwandte, an denen mein Platz nicht war.
Hattingberg (8. 2. 1914), 49
I rgendwo blüht die Blume des Abschieds und streut
immerfort Blütenstaub, den wir atmen, herüber;
auch im kommendsten Wind atmen wir Abschied.
Werke II 502
E inmal nahm ich zwischen meine Hände
dein Gesicht. Der Mond fiel darauf ein.
Unbegreiflichster der Gegenstände
unter überfließendem Gewein.
Wie ein williges, das still besteht,
beinah war es wie ein Ding zu halten.
Und doch war kein Wesen in der kalten
Nacht, das mir unendlicher entgeht.
O da
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