Fruehling
strömen wir zu diesen Stellen,
drängen in die kleine Oberfläche
alle Wellen unsres Herzens,
Lust und Schwäche,
und wem halten wir sie schließlich hin?
Ach dem Fremden, der uns mißverstanden,
ach dem andern, den wir niemals fanden,
denen Knechten, die uns banden,
Frühlingswinden, die damit entschwanden,
und der Stille, der Verliererin.
Werke II , 72 f.
D u Liebe, gewöhn Dich daran, mein Herz zu sehn, das ist gar nicht so einfach, glaub mir; es giebt freundliche herzliche Menschen, die mich in meinen Büchern gernhaben,
das ist Eines; sie kommen zu mir mit dort ausgebildeten Ansprüchen, schönen klugen reinen, wie dürft ich sie enttäuschen, nein, das thu ich nicht. Aber, siehst Du, meine Bücher sind Fernrohre; es sieht einer hinein, da fliegt ihm allerhand durchs Gesicht: Himmel Wolken, Dinge, Erscheinungen, was weiß er, alles in einer kühnen tiefen Offenheit schwebend, gewaltiger, einzelner und gültiger als ers gewohnt ist, schön schön, mag er sichs gefallen lassen, aber alles das bin nicht Ich , Du weißt das, nichtwahr, sieh gut hinein in das gerichtete Rohr, dort ein kleiner kleiner lichter Punkt – hast Du ihn? – das ist mein Herz, man kanns nicht erkennen. Ach meine Schwester, ist es ein Haus? Ist es nur eine helle starre Stelle im Gestein, blind hinüberblickend aus dem glücklichen Grün einer ringsum beschäftigten Natur? – –
Hattingberg (9. 2. 1914), 57 f.
DIE LIEBENDE
J a ich sehne mich nach dir. Ich gleite
mich verlierend selbst mir aus der Hand,
ohne Hoffnung, daß ich Das bestreite,
was zu mir kommt wie aus deiner Seite
ernst und unbeirrt und unverwandt.
… jene Zeiten: O wie war ich Eines,
nichts was rief und nichts was mich verriet;
meine Stille war wie eines Steines,
über den der Bach sein Murmeln zieht.
Aber jetzt in diesen Frühlingswochen
hat mich etwas langsam abgebrochen
von dem unbewußten dunkeln Jahr.
Etwas hat mein armes warmes Leben
irgendeinem in die Hand gegeben,
der nicht weiß was ich noch gestern war.
Werke I , 377 f.
PERLEN ENTROLLEN
P erlen entrollen. Weh, riss eine der Schnüre?
Aber was hülf es, reih ich sie wieder: du fehlst mir,
starke Schließe, die sie verhielte, Geliebte.
War es nicht Zeit? Wie der Vormorgen den Aufgang,
wart ich dich an, blass von geleisteter Nacht;
wie ein volles Theater, bild ich ein großes Gesicht,
dass deines hohen mittleren Auftritts
nichts mir entginge. O wie ein Golf hofft ins Offne
und vom gestreckten Leuchtturm
scheinende Räume wirft; wie ein Flussbett der Wüste,
dass es vom reinen Gebirge bestürze, noch himmlisch, der Regen, –
wie der Gefangne, aufrecht, die Antwort des einen
Sternes ersehnt, herein in sein schuldloses Fenster;
wie einer die warmen
Krücken sich wegreißt, dass man sie hin an den Altar
hänge, und daliegt und ohne Wunder nicht aufkann:
siehe, so wälz ich, wenn du nicht kommst, mich zu Ende.
Dich nur begehr ich. Muss nicht die Spalte im Pflaster,
wenn sie, armsälig, Grasdrang verspürt: muss sie den ganzen
Frühling nicht wollen? Siehe, den Frühling der Erde.
Braucht nicht der Mond, damit sich sein Abbild im Dorfteich
fände, des fremden Gestirns große Erscheinung? Wie kann
das Geringste geschehn, wenn nicht die Fülle der Zukunft,
alle vollzählige Zeit, sich uns entgegenbewegt?
Bist du nicht endlich in ihr, Unsägliche? Noch eine Weile,
und ich besteh dich nicht mehr. Ich altere oder dahin
bin ich von Kindern verdrängt …
Werke II , 42 f.
BEGEGNUNG
Z u solchen Stunden gehn wir also hin
und gehen jahrelang zu solchen Stunden:
aufeinmal ist ein Horchender gefunden,
und alle Worte haben Sinn.
Alle Gebärden sind aufeinmal groß
und ausgewachsen wie ein Flügelschlagen,
sie scheinen uns einander zuzutragen,
und wir sind noch vom Fluge atemlos, –
wenn schon das Schweigen kommt, auf das wir warten,
kommt wie die Nacht, von großen Sternen breit:
zwei Menschen wachsen wie im selben Garten,
und dieser Garten ist nicht in der Zeit.
Das erste Wort wird beide wieder trennen,
ein jeder ist, mehr als vorher, allein;
sie werden lächeln und sich kaum erkennen,
aber sie werden beide größer sein.
Werke III , 695 f.
I mmer wieder, ob wir der Liebe Landschaft auch kennen
und den kleinen Kirchhof mit seinen klagenden Namen
und die furchtbar verschweigende Schlucht, in welcher die andern
enden: immer wieder gehn wir zu zweien hinaus
unter die alten Bäume, lagern uns immer wieder
zwischen die Blumen, gegenüber dem Himmel.
Werke II , 95
… denn in unserm Schauen
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