Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
überlassen hat.“ Die Augen der Göttin glitten an die Decke, wo die Schlangen schon darauf lauerten, dass Arrow sich als Eindringling offenbaren und die schützenden Stiefel ablegen würde. Letzten Endes behielt sie diese dann doch lieber an.
Schwerfällig erhob sich Hel von ihrem Thron, und Arrow fühlte sich so klein, wie nie zuvor in ihrem Leben. Während Hels tote Gesichtshälfte offenbar unfähig war, irgendwelche Emotionen zu zeigen, konnte die Göttin trotzdem ihre toten Gliedmaßen bewegen. Ihr Gang wirkte mehr als gruselig, da sich das rechte Bein nicht annähernd so geschmeidig bewegte wie das Linke.
„Du machst ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter, obwohl du nicht den geringsten Anlass dazu hast.“
„Ach nein?“, entgegnete Arrow. Jeder anderen Person gegenüber hätte sie diese Frage in einem weitaus trotzigerem Ton gestellt, doch auch wenn ihr loses Mundwerk in jeder noch so unpassenden Situation mit ihr durchging, konnte sie dennoch keinen Augenblick vergessen, mit wem sie sich gerade unterhielt. „Ich bin den weiten Weg hierher gekommen, nur um zu erfahren, dass ich meinen Vater hier nicht finden werde. Jetzt muss ich wieder von vorne beginnen und habe nicht die geringste Ahnung, wo ich anfangen soll.“
„Also weißt du, du bist die seltsamste Person, die mir je begegnet ist“, entgegnete Hel. „Mal ganz davon abgesehen, dass sich gerade mal eine Hand voll Leute in mein Reich getraut haben, die gar nicht hätten herkommen müssen, es aber trotzdem getan haben, weil sie auf der Suche nach einer geliebten Seele waren, habe ich bisher keinen einzigen unter ihnen gezählt, der auch nur für den Bruchteil einer Sekunde darüber traurig gewesen ist, dass sich die gesuchte Person nicht in der Hölle aufhält.“
Arrows Augen hatten sich verengt. Machte sich die Herrscherin der Unterwelt etwa gerade über sie lustig? Auf eine gewisse Art und Weise tat sie das. Und warum auch nicht? Im Grunde stimmte es, was sie sagte. Und so konnte Arrow ein peinlich berührtes Grinsen nicht länger unterdrücken.
„Hast du denn in Wallhall keinen Hinweis auf den Verbleib deines Vaters bekommen?“, fragte Hel neugierig.
„Dort bin ich noch nicht gewesen“, gab Arrow betrübt zurück.
Ungläubig musterte die Göttin sie. „Und wie bist du dann auf die dumme Idee gekommen, die Suche nach deinem Vater hier in meinem Reich zu beginnen?“
„Die Todsünden haben gesagt, dass ...“ Doch Arrow kam nicht dazu, diesen Satz zu beenden.
Fassungslos schüttelte Hel ihren Kopf. „Arrow Fall, bis vor einem Augenblick habe ich dich noch für eine intelligente Person gehalten, doch jetzt bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob ich mit dieser Einschätzung richtig lag. Wie kannst du denn bitteschön ein Wort von dem glauben, was dir ausgerechnet die Sieben Todsünden sagen? Das sind verabscheuungswürdige Kreaturen, die ihre kranken Keime in schwache Geister pflanzen und sich wie Parasiten von ihnen ernähren. Wären sie nicht unmittelbar mit dieser und jeder anderen Welt verbunden, hätte ich sie längst höchstpersönlich an ihren hässlichen Schöpfen gepackt und meinen Geiern vorgeworfen!“
„Aber wie hätte ich denn ahnen können, dass sie mich anlügen?“, fragte Arrow, die mit der gegenwärtigen Situation völlig überfordert war.
„Na indem du dir immer wieder ins Gedächtnis rufst, dass es die Todsünden sind! Jedes Kind weiß doch, dass man ihnen nicht trauen kann.
„Sie sagten mir, dass es in meinen Reihen Verräter gebe. Dann war dies wohl auch gelogen?“
Nachdenklich strich Hel sich über das Kinn. „Ich würde sagen, dass die Chancen diesbezüglich in etwa gleich stehen. Modgudr hat mir erzählt, dass sie deinen Gefährten in ihr Reich verschleppt haben, und ich muss gestehen, dass ich ihnen eine solche Tat nicht zugetraut hätte – nicht weil sie es nicht gewollt hätten, sondern einfach weil sie dazu nicht in der Lage sind. Offensichtlich habe ich sie damit unterschätzt. Sicher ist momentan nur, dass du auf der Hut sein musst. Irgendwo wartet ein mächtiger Gegner auf dich. Sicher zeugt es nicht unbedingt von einer starken Persönlichkeit, wenn man sich den Sieben Todsünden verschreibt. Es ändert aber auch nichts an der Tatsache, dass man diesen Feind unter keinen Umständen unterschätzen sollte.“
Arrow rieb sich die Schläfen. Das alles hörte sich verteufelt kompliziert an und sie hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie weiter verfahren sollte. Die Aufgabe, ihren Vater zu
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