Fruehstueck fuer Aasgeier - Wie Oelbosse und Finanzhaie die Weltherrschaft erlangten
Vegetarier«, erklärte der weise Etok seinen Leuten und hieß sie, mehrere Eimer mikiaq mitzunehmen, vergorenes Walfleisch in geronnenem Blut. Die Grünen Leute aßen den Wal, und in ihrem Hunger war es ihnen scheißegal, ob diese Tierart vom Aussterben bedroht war. Die Inupiat erklärten ihnen, es sei nicht weise, die Boote der Einheimischen zu besteigen. Die Rettungsmannschaft hatte daher für die halb erfrorenen Grünen Leute einen verdreckten Rohölkahn mitgebracht.
Die Eskimos ließen die Grünen Leute bei Dead Horse an Land, dort, wo die Weißen das Öl der Prudhoe Bay fördern. Die Grünen Leute, die, ohne es zu wissen, ihre Lektion gelernt hatten, dankten den Inupiat, weil sie ihnen das Leben gerettet hatten. Und von jenem Tag an trat Greenpeace für das Recht der Ureinwohner
ein, Wale zu töten wie in alten Tagen, und half den Inupiat im Kampf gegen ihre Konkurrenten, die kommerziellen Walfänger oder, wie die Ureinwohner sie nennen, »die Scheißjapaner«.
Ein knallharter Eskimo, dieser Etok.
Der Snow Girls Club, Fairbanks, Alaska, 2010
Ich erkannte ihn auf Anhieb, sogar im pulsierenden Licht des Stripclubs in Fairbanks, in dem wir uns verabredet hatten: das Gesicht dunkel wie Leder, am Kragen des Parkas ein Vielfraßpelz samt Kopf und Gebiss, um den Hals fünf gewaltige Krallen vom letzten Eisbären, den sein Vater getötet hatte. Eskimo-Bling eben.
Ich hatte zwar gehört, dass Eskimos sich mit einem Nasenkuss begrüßen, schloss aber aus seinem Blick, dass mir dieses Privileg nicht zuteilwerden würde.
»Mr. Palast, wir sind die letzten Menschen des Pleistozän«, sagte er. »Es wäre mir eine Ehre, Ihnen dabei zu helfen, British Petroleum eine in die Fresse zu hauen und Ihrer Königin gleich mit.«
Als Staatsoberhaupt stand es Etok durchaus zu, seine Anliegen durch mich, einen Journalisten des staatlichen britischen Fernsehens, seinem diplomatischen Pendant, der Monarchin von Windsor, zu übermitteln. Sein Reich allerdings war, wie er betonte, größer als Großbritannien und hatte auch mehr Bodenschätze. Und anders als Großbritannien hatte Etoks Königreich nie einen Krieg verloren. Ich versprach, Ihrer Majestät seine Botschaft zu überbringen.
Im Herbst 2010 trieb immer noch Öl auf dem Golf von Mexiko. Wo würde BP als Nächstes zuschlagen?
Ich war es müde, über Katastrophen zu berichten, nachdem die Toten gezählt, das Öl in großen Mengen an den Strand geschwappt, Rohre explodiert und Kinder an Krebs erkrankt waren. Ich wollte eine Katastrophe filmen, ehe sie sich ereignete.
Also flog ich mit Ricardo, seinen Kameras und meinem lieben Regisseur James nach Norden, knapp oberhalb des Polarkreises, dort, wo British Petroleum und Shell Oil ihre Bohrwerkzeuge wetzen, um sie im zurückgehenden Eis der Tschuktschen- und Beaufortsee zu versenken. Für die großen Ölkonzerne ist die globale Erwärmung eine Goldgrube, denn das Loch, das ihre Kohlenwasserstoffe in die Ozonschicht geschlagen haben, hat Ölfelder und Tankerrouten erschlossen, die früher unter dem Eis verborgen waren.
Obwohl die globale Erwärmung ein Glücksfall für BP ist, müssen doch erst noch ein paar Meeressäuger beseitigt werden. Die Beaufortsee ist der Teil des Nordpolarmeeres, der an das Arctic National Wildlife Refuge in Alaska angrenzt. Zum »Wildlife« des Nationalparks gehören auch die Inupiat sprechenden Eskimos, die Walfänger sind. Eisbären, Wale und Walfänger muss BP erst loswerden. Vorausgesetzt, der Grundherr stimmt zu. Und das ist Etok. Zumindest Etok zufolge.
Etok ist mal der inoffizielle, mal der offizielle Herrscher seines Polarreiches, das offiziell eigenständig ist – außer, wenn es das nicht ist. Die Verwirrung ergibt sich aus der historischen Merkwürdigkeit, dass sich die Eskimos »Amerika« nie unterworfen haben, Amerika jedoch so tat, als hätten sie es. Es tobte nie ein Krieg, weshalb auch nie Frieden oder ein Friedensvertrag geschlossen wurde. Etok zufolge ist die Arktis der Inupiat bis heute eine freie Republik unter Besatzung – durch die Briten. Für die Eskimos im Alaska North Slope mit seinem Ölreichtum sind die BP- und Shell-Logos weit mächtiger als die amerikanische Flagge.
Der erste Eskimo-Filmstar aus dem Film Nanuk, der Eskimo verhungerte, nachdem er Pelze gegen Messer und Süßigkeiten mit John Jacob Astor eingetauscht hatte. Astor verkaufte die Pelze in den zwanziger Jahren bei Saks in der Fifth Avenue für Tausende von Dollar. Etok hat kein Mitleid mit Nanuk.
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