Frühstück im Bett
Zeit wie Frenchman’s Bride errichtet, hatte der Bau niemals einem Kutschenhaus geglichen. Aber Sugar Beths Großmutter hatte das Wort »Garage« zu vulgär gefunden.
Ende der fünfziger Jahre war das kleine Gemäuer in ein Domizil für Tante Tallulah umgewandelt worden. Darin hatte sie den Rest ihrer Tage verbracht. Nun gehörte das Haus zum Erbe, das sie ihrer Nichte vermacht hatte. Eine reine Verzweiflungstat, denn sie hatte das Mädchen stets getadelt … Ich weiß, du willst nicht eitel und selbstsüchtig sein, Sugar Beth, möge der Allmächtige deine Seele segnen. Sicher wirst du dich eines Tages bessern. Die Tante war der Meinung gewesen, sie könnte ihre Nichte nach Belieben beleidigen, solange sie ihr dabei himmlischen Segen wünschte.
Sugar Beth beugte sich über den Beifahrersitz und öffnete die Tür. »Lauf einfach weg, okay?«
Dem Hund missfiel es, sich die Pfoten nass zu machen. Wie sein Blick bekundete, erwartete er, ins Haus getragen zu werden.
»Klar, genau das werde ich tun.«
Drohend fletschte er die Zähne. Sie ergriff ihre Handtasche, den Rest des billigsten Hundefutters, das sie aufgespürt hatte, und eine Sechserpackung Cola. Den Kofferraum würde sie erst ausräumen, wenn es zu regnen aufhörte. Als sie ausstieg, rutschte der Minirock zu den Schenkeln hinauf, und dann stelzte sie auf ihren langen schlanken Beinen davon.
Wenn Gordon wollte, konnte er sich sehr schnell bewegen, und so polterte er noch vor ihr die drei Stufen zur kleinen Veranda hinauf. Neben der Tür nahm die grüngoldene Holzplakette, die Tante Tallulahs Faktotum vor vierzig Jahren festgenagelt hatte, unverändert einen Ehrenplatz ein. Im Sommer 1954 hat der große amerikanische Expressionist Lincoln Ash hier gemalt.
Zum Dank hatte er Tallulah ein wertvolles Kunstwerk geschenkt, das jetzt ihrer Nichte Sugar Beth Carey Tharp Zagurski Hooper gehörte. Dieses Gemälde musste sie möglichst schnell finden.
Sie suchte einen der Schlüssel hervor, die ihr der Anwalt der Tante geschickt hatte, sperrte die Tür auf und betrat das Haus.
Sofort wehten ihr alle Gerüche aus Tallulahs Welt entgegen: die Ben Gay Society, Schimmel, Hühnersalat und Missbilligung. Gordon sah sich kurz um, vergaß seine Abneigung gegen nasse Pfoten und floh ins Freie zurück.
Seufzend stellte Sugar Beth ihr Gepäck ab und musterte den heimeligen Horror im Wohnzimmer. Sheraton-Sessel, Tische mit zerkratzten Klauenfüßen, ein Queen-Anne-Schreibtisch, ein Kleiderständer aus geschweiftem Holz, voller Spinnweben. Auf dem Mahagoni-Sideboard stand eine Seth-Thomas-Uhr neben zwei hässlichen Porzellanmöpsen und einer Silberkassette mit einer fleckigen Plakette, die Tallulahs langjährige treue Tätigkeit für die »Töchter der Konföderation« würdigte.
In diesem Raum gab es kein organisiertes Dekorationssystem. Der fadenscheinige Orientteppich konkurrierte mit verblichenen geblümten Chintzsofas. Unter mehreren Häkelkissen lugte die Polsterung eines Lehnstuhls hervor, mit korallenroter und orangegelber Flammenstickerei. Ein Sofa war mit abgewetztem grünem Leder bezogen, vergilbte Spitzengardinen verdunkelten die Fenster. Trotzdem hatten die Farben und Muster, von Alter und Abnutzung gedämpft, eine gewisse müde Harmonie erreicht.
Sugar Beth ging zum Sideboard und wischte Spinnweben beiseite, um die Silberkassette zu öffnen. Darin lagen zwölf Besteckgarnituren aus Gorham’s Chantilly Sterling. Seit sie denken konnte, hatte ihre Tante die Teelöffel jeden Mittwoch für die Canasta-Runde hervorgeholt. Nun fragte sie sich, wie viel ihr das Tafelsilber einbringen würde.
Nicht genug. Also brauchte sie das Gemälde. Sie musste pinkeln, und sie war hungrig. Aber sie konnte es nicht erwarten, das Studio zu durchsuchen. Da es unverdrossen regnete, ergriff sie Tallulahs alten beigen Pullover, der neben der Tür lag, und drapierte ihn um ihre Schultern. Auf dem Fliesenweg, der ums Haus herum zur Garage führte, drang Wasser durch die dünnen Sohlen ihrer Stiefel. Die alten Torflügel hingen schief in den Angeln, und Sugar Beth zog sie mühsam auseinander,
nachdem sie das Vorhängeschloss mit einem der Schlüssel geöffnet hatte.
Dahinter sah es genauso aus wie eh und je. Als das Kutschenhaus zu einem Domizil für eine alte Jungfer umgebaut worden war, hatte Tallulah den Handwerkern verboten, Lincoln Ashs ehemaliges Studio zu verändern. Stattdessen hatte sie sich mit einem kleineren Wohnzimmer und einer winzigen Küche begnügt und das Atelier wie
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