Frühstück mit Kängurus
Botanik, die man Angiospermen nennt, bedecktsamige Pflanzen, von denen alle Blühpflanzen abstammen. So ist der dunkle, dichte Daintree National Park anscheinend einem lange zurückliegenden Erdzeitalter zugehörig, und man würde sich gar nicht wundern, wenn Flugechsen durch die Bäume glitten oder Velociraptoren vor einem über die Straße sprinteten.
Es gibt tatsächlich ganz schön komische Viecher hier draußen. Wo sonst kann man noch hoffen, einem Helmkasuar zu begegnen? Sie sehen den Emus sehr ähnlich, haben aber eine hornartige Verdickung auf dem Kopf, einen Helm, und die schon erwähnte mörderische Kralle an den Füßen. Wenn sie angreifen, springen sie hoch und schlagen mit beiden Füßen gleichzeitig zu. Das passiert Gott sei Dank nicht oft. Die letzte tödliche Attacke war 1926, als ein Helmkasuar auf einen sechzehnjährigen Jungen, der ihn ärgerte, zulief, ihn ansprang und ihm die Halsschlagader aufschlitzte. Es geschehen deshalb so wenig Unfälle, weil Helmkasuare extrem zurückgezogen leben und nun leider auch nicht mehr sehr zahlreich sind. Kaum tausend haben überlebt. Der Daintree-Regenwald ist außerdem eine der letzten Heimstätten der berühmten Baumkängurus, die, wie der Name schon sagt, auf Bäumen leben. Sie sind sogar noch scheuer als die Kasuare und fast nie zu sehen. Der Dschungel ist so dicht und so weit weg von den Zentren der Wissenschaft, dass vieles unerforscht bleibt. Die erste wissenschaftliche Studie der Helmkasuare wurde zum Beispiel erst vor etwa zehn Jahren begonnen.
Die Straße endete schließlich auf einer sonnigen Lichtung mit - man höre und staune - einer Imbissbude und einer Telefonzelle. In dem üppigen Buschwerk war ein Zeltplatz verborgen, und daneben zeigte ein Pfeil den Weg zum Strand an, der über einen Plankensteg durch Mangroven führte. Bei unserem Näherkommen flutschten lauter unsichtbare kleine Geschöpfe in das morastige Wasser. Nach ein paar Minuten kamen wir am Strand heraus, außerordentlich schönen, weiten weißen Sandflächen, übersät mit Treibholz, Palmwedeln und anderem natürlichen Abfall, einer leuchtend blauen Bucht und vor uns einer hohen, vollkommen grünen Halbinsel.
Die Szenerie wirkte strahlend hell und unber ü hrt. So musste es auch f ü r James Cook vor mehr als zwei Jahrhunderten gewesen sein. Er nannte den Fleck Cape Tribulation, Kap des Leidens, weil die Endeavour hier auf einem Korallenriff zw ö lf Meilen vor der K ü ste katastrophal aufgesetzt hatte. Mit dem riesigen Leck bestand gr öß te Gefahr, dass sie sank, doch Cook hatte einen Matrosen dabei, der einmal in ä hnlichen N ö ten gewesen war und das Schiff durch eine ungew ö hnliche Ma ß nahme gerettet hatte. Die Crew bandagierte die Unterseite des Schiffs, das hei ß t, sie legte ein Segel darunter und zog es ü ber dem Leck fest. Es war eine wahre Verzweiflungstat. Doch o Wunder! Es klappte. Cook man ö vrierte das Schiff ein paar Meilen um die Halbinsel, an der wir nun standen, an Land. Die Mannschaft brauchte sieben Wochen zum Reparieren, bevor sie heim nach England und zu Ruhm und Ehre segeln konnte. W ä re die Endeavour gesunken und Cook nicht nach Hause gekommen, w ä re die Historie nat ü rlich ganz anders verlaufen. Australien w ä re sehr wahrscheinlich franz ö sisch geworden - ein gr ä sslicher Gedanke -, und Gro ß britannien h ä tte seine Kolonialgel ü ste woanders austoben m ü ssen. Den Folgen w ä re kein Teil der Welt entkommen. Melbourne st ü nde nun vielleicht auf afrikanischen Steppen, und wer wei ß , Sydney w ä re die Hauptstadt der K ö niglichen Kolonie Kalifornien. Jedenfalls w ä re das Gleichgewicht der Macht auf dem Globus jenseits aller Vorstellung verschoben worden.
Etwa eine halbe Stunde lang erkundeten Allan und ich den Strand, liefen dann zu der Lichtung mit dem Imbiss zur ü ck und guckten nach, wo die Stra ß e nach Cooktown weiterging. Hinter dem Imbissstand wurde sie sofort zur unebenen, steinigen Piste und stieg steil in die gr ü nen H ü gel. Sie sah aus, als k ä me gleich Harrison Ford in einer seiner Heldenrollen atemlos dar ü ber gestolpert. Ich hatte erst am Tag zuvor geh ö rt, dass sie selbst bei gutem Wetter gef ä hrlich und nervig kippelig ist. Da fand ich es dann gar nicht so schlimm, dass Allan und ich nicht dar ü ber brausen konnten, weil sie unpassierbar war.
Trotzdem: Sie sah schrecklich einladend und Abenteuer verhei ß end aus.
Cooktown, eine fr ü here Goldminenstadt mit einer Einwohnerzahl von einst
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