Frühstück mit Kängurus
durchqueren, das beinahe wasserlose Zentrum des Kontinents, ungef ä hr in der Mitte zwischen dem heutigen Daly Waters und Alice Springs. Eintausend Meilen von allem entfernt, war es das » Nonplusultra der Trostlosigkeit « , wie Stuarts Entdeckerkollege Ernest Giles einmal so h ü bsch formulierte, und Stuart und seine M ä nner waren durch die H ö lle gegangen, um dorthin zu gelangen. Seit Monaten unterwegs, krank, zerlumpt und halb verhungert, hatten sie aber wenigstens die Genugtuung, die ersten Fremden zu sein, die das grausame Herz des Kontinents durchquerten.
Stellen Sie sich jedoch ihre Ü berraschung vor, als sie in der Mitte dieses sengenden Nichts drei Aborigine- M ä nnern begegneten, die sie mit einem Geheimzeichen der Freimaurer begr üß ten. Stuart sagte in seinem Tagebuch nicht, welches, doch aus seiner erstaunten Beschreibung wird klar, dass er es nicht f ü r Zufall hielt. Ein paar Tage sp ä ter fand die Expedition Pferdespuren, die einem nat ü rlichen Pfad ü ber die Steppe folgten. Als sie dann noch ein St ü ck weiter ihr Nachtlager aufschlugen und sich ein junger Mann aus Stuarts Gruppe, W. P. Auld, hinsetzte, die Schuhe auszog und die schmerzenden F üß e rieb, kniete sich ein Warramunga-Mann aus einer Gruppe, die sie dort trafen, vor ihm hin, zog ihm zu seiner Verwirrung die Schuhe wieder an, band vorsichtig, aber geschickt die Schn ü rsenkel und lehnte sich dann mit einem breiten, zufriedenen L ä cheln zur ü ck. Stuart und seine M ä nner mussten zu ihrem Leidwesen erkennen, dass sie nicht die ersten Wei ß en sein konnten, die ins Herz des Kontinents vorgedrungen waren. Wer war ihnen zuvorgekommen? Das ist bis heute ein ungel ö stes R ä tsel.
Ich erzähle das, um noch einmal zu betonen, wie komisch und unbegreiflich das Outback ist. An der irrsinnigen Abgeschiedenheit ist etwas, das die Menschen fasziniert. Das Outback bringt einen um, doch immer und immer wieder haben sich Entdecker trotz entsetzlichster Entbehrungen und geringster Aussicht auf Erfolg hineingewagt. Bisweilen, wie Stuart ja feststellte, legten sie nicht einmal Wert darauf, ihre Namen zu hinterlassen. Man kann gar nicht genug betonen, wie brutal das australische Innere ist. Und die Forscher des neunzehnten Jahrhunderts nahmen nicht nur die unsägliche Hitze und ständige Wasserknappheit, sondern tausenderlei andere Widrigkeiten in Kauf. Stechameisen krabbelten über sie, wo immer sie Rast machten; Eingeborene attackierten sie auch schon mal mit Speeren. Das Land war überwachsen mit dornigen Büschen und gnadenlosem Spinifex, dessen Stiche sich fast immer durch Schmutz und Schweiß entzündeten, Skorbut eine permanente Geisel, Hygiene unmöglich. Oft drehten die Packtiere durch oder liefen einfach nicht mehr weiter. Ernest Giles hält in seinen Memoiren fest, dass sein Pferd nach einer erfolglosen Suche nach Wasser einmal so wahnsinnig wurde, dass es bei der Rückkehr ins Camp in der irrigen Hoffnung, Erleichterung zu finden, die Nase ins Feuer tauchte. Voller Mitleid gab Giles dem verletzten Tier von seinem eigenen mageren Vorrat zu trinken, doch es starb trotzdem. Sogar Kamele wurden mit den Bedingungen in der Wüste kaum fertig. In Beyond Leichhardt, einer Geschichte der Erkundung Australiens, erzählt Glen McLaren, dass Schmeißfliegen ihre Eier mit Vorliebe in die offenen Wunden von Kamelen legten, und diese sich im Nu in ein ekelhaftes Gewimmel sich kringelnder Maden verwandelten. Bei einer Expedition musste man einem Kamel die Maden »täglich mit einem Halblitergefäß herausschaben«. Zum Schluss legte sich das Tier nur noch hin und starb. Wenn selbst Kamele mit der Wüste nicht fertig werden, dann weiß man, dass man einen ungastlichen Teil der Welt gefunden hat. Für Mensch und Tier gleichermaßen war es die pure Hölle.
Und dennoch kamen die Forscher immer, immer wieder. Im neunzehnten Jahrhundert brach fast jede Expedition mit einem angeblich praktischen Zweck auf, um eine Route für eine Telegrafenleitung zu finden, Gold zu suchen, ein Gebiet mit bisher verborgenen Bodenschätzen zu entdecken. Doch so gut wie ausnahmslos waren die Forscher bald von der Leere besessen. Unfähig, deren Verlockungen zu widerstehen, wanderten sie weiter und weiter und weiter.
Wom ö glich niemand jedoch erlitt Not und Drangsal bereitwilliger und h ä ufiger und mit weniger Erfolg als Ernest Giles. Als er 1874 mit seinem Gef ä hrten Alfred Gibson durch die trostlosen W ü sten Western Australias zog, verendete Gibsons
Weitere Kostenlose Bücher