Frühstück mit Kängurus
staubig, aber im Geiste ungebrochen in Melbourne anlanden, wo mich ein paar alte Freunde erwarteten, die mich unter die Dusche stellen und dann auf die lange versprochene Tour in den schlangenverseuchten, menschenleeren, aber spektakul ä r sch ö nen Busch von Victoria mitnehmen w ü rden. Was sollte ich nicht alles zu sehen bekommen! Ich war sehr aufgeregt.
Zun ä chst aber galt es, die Blue Mountains zu durchqueren, die landschaftlich reizvollen, lange als unbezwingbar geltenden Berge, die direkt westlich hinter Sydney beginnen. Von weitem wirkten sie nicht sehr gef ä hrlich; sie sind nicht sehr hoch und ü berall von einem sanften Gr ü n bedeckt. Tats ä chlich sind sie jedoch von t ü ckischen Schluchten und felsigen Canyons durchzogen, deren W ä nde manchmal ein paar hundert Meter senkrecht abfallen, und auch das h ü bsche Gr ü n erweist sich bei n ä herem Hinsehen als ungew ö hnlich dicht und verwirrend. In den ersten f ü nfundzwanzig Jahren der europ ä ischen Besiedlung waren die Blue Mountains eine un ü berwindliche Barriere. Wiederholt versuchten Expeditionen einen Weg hindurch zu finden, mussten aber immer wieder umkehren. Selbst wenn man sich einigerma ß en durch das kratzige Gestr ü pp schlug, verlor man in den vielen verschiedenen Schluchten dauernd die Orientierung. Watkin Tench, F ü hrer einer Gruppe, berichtete mit begreiflichem Ä rger, dass er und seine M ä nner sich einmal stundenlang abstrampelten, um einen Weg aus einer unglaublich steilen Talschlucht zu finden, nur um, oben angekommen, festzustellen, dass sie genau gegen ü ber der Stelle waren, wo sie hinwollten.
1813 endlich kamen drei M ä nner durch: Gregory Blax- land, William Charles Wentworth und William Lawson - ersch ö pft, zerlumpt und » an Magenbeschwerden leidend « , wie Wentworth bei dieser und allen anderen Gelegenheiten bis an sein Lebensende verdrossen anmerkte. Sie hatten achtzehn Tage gebraucht, aber als sie die luftigen H ö hen des Mount York erklommen hatten, wurden sie mit einer Aussicht auf eine l ä ndliche Idylle belohnt, die europ ä ischen Augen noch nie geboten worden war. So weit der Blick reichte, breitete sich unter ihnen ein sonnenbeschienenes Eden aus, ein bl ü hendes Land mit so viel Gras, dass man eine Millionenbev ö lkerung davon ern ä hren konnte. Australien w ü rde ein m ä chtiges Land werden. Als sie nach Sydney zur ü ckkehrten, breiteten sich die Neuigkeiten in Windeseile aus. In weniger als zwei Jahren wurde eine Stra ß e durch die Wildnis geschlagen, und die Besiedlung des australischen Westens begann.
Der Great Western Highway, wie sein pomp ö ser, aber auch romantischer Name lautet, folgt heute noch fast genau der Route, die Blaxland und seine Gef ä hrten vor bald zweihundert Jahren beschritten hatten. Und so altehrw ü rdig kommt er einem auch vor. Er verl ä uft hoch oben ü ber die Berge und oft durch Stellen, die so eng sind, dass f ü r eine breite, moderne Autobahn gar kein Platz ist. Mit seinen Haarnadelkurven und seiner geringen Breite stammt er eben noch aus einem Zeitalter, in dem sich die Autofahrer Schutzbrillen auf die Nase setzten und ihre fahrbaren Unters ä tze mit einer Kurbel anwarfen. Als ich mit der Indian Pacific durch dieses Gebiet gefahren war, war die Aussicht aus dem Zug nicht besonders gut gewesen - kaum hatte man einen Blick durch die Eukalyptenreihen erhascht, bog man auch schon in dichtere Waldgebiete ab -, und ich war ja ohnehin damit besch ä ftigt gewesen, den Zug zu erkunden. Jetzt wollte ich unbedingt die Berge von nahem sehen, besonders die ber ü hmten, vertr ä umten Szenarien, die sich einem von der kleinen Stadt Katoomba aus boten.
Aber ach, ich hatte kein Gl ü ck. Als ich ü ber die kurvenreiche Stra ß e ins Gebirge fuhr, sprenkelte Nieselregen die Windschutzscheibe, eisige Nebelschwaden begannen sich zwischen den hoch gewachsenen Coachwood- und Sassafrassb ä umen auszubreiten. In einem solchen Nebel war ich noch nie mit dem Auto unterwegs gewesen. Binnen Minuten war mir, als steuerte ich ein kleines Flugzeug durch Wolken. Eben noch war eine K ü hlerhaube vor mir gewesen, jetzt nurmehr Wei ß . Mehr als das Auto in der Spur zu halten, war nicht drin - und die Stra ß e war l ä cherlich eng und gewunden. Bei einer praktisch nicht existenten Sichtweite begr üß te ich jede Kurve mit einem Ü berraschungsschrei.
Endlich, endlich erreichte ich Katoomba, wo der Nebel noch schlimmer war. Die Stadt war auf gespenstische Gebilde
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