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Frühstück mit Kängurus

Titel: Frühstück mit Kängurus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill - Bryson
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Hotels kapierte, dass ich mich auf eine noch abenteuerlichere Expedition begeben hatte als am Nachmittag zuvor. Canberra ist eine im wahrsten Sinne des Wortes » weitl ä ufige « Stadt. Auf Papier sieht es ganz einladend aus, mit dem gewundenen See, den baumbestandenen Alleen und den zehntausend Morgen Park (zum gef ä lligen Vergleich: der Hyde Park in London umfasst dreihundertundvierzig Morgen), aber auf Schusters Rappen ist es lediglich eine Menge weit auseinander gezogenen Gr ü ns, von weit auseinander liegenden Geb ä uden und Denkm ä lern unterbrochen.
    Da lohnt es sich, zu ü berlegen, wie es so geworden ist. Als 1911 die Stelle, an der die Hauptstadt errichtet werden sollte, klar war, schrieb man einen Planungswettbewerb aus, den Walter Burley Griffin aus Oak Park, Illinois, ein Sch ü ler Frank Lloyd Wrights, gewann. Griffins Entwurf war ohne jede Frage der beste, aber das bedeutete nicht unbedingt sehr viel. Ein anderer, auch nicht unbekannter Teilnehmer, ein Franzose namens Alfred Agache, hatte die Ausschreibung nicht sorgf ä ltig oder wahrscheinlich gar nicht gelesen und setzte das Parlament und viele andere wichtige Geb ä ude auf ein Ü berschwemmungsgebiet, was den Herren Parlamentariern einen Teil des Jahres garantiert h ä tte, dass sie beim Debattieren Wasser treten mussten. Au ß erdem platzierte er aus Gr ü nden, ü ber die man nur staunen und spekulieren kann, die st ä dtischen Abwasserwerke als Hauptattraktion ins Zentrum der Stadt. Trotz dieser drolligen M ä ngel wurde sein Beitrag dritter. Der zweite Preis ging an Eliel Saarinen, den Vater Eeros, des Mannes, der sp ä ter die Opernhausjuroren ü berredete, den k ü hnen Entwurf von J0rn Utzon zu nehmen. Der Entwurf des ä lteren Saarinen war durchaus umsetzbar, besa ß aber eine Wucht und Kolossalit ä t - wie ein
    Vorl ä ufer der Dritten-Reich-Architektur -, die die australischen Juroren verschreckte.
    Griffins Entwurf dagegen nahm sofort alle f ü r sich ein. Er sah eine Gartenstadt f ü r f ü nfundsiebzigtausend Menschen vor, mit sich durchziehenden Baumalleen und einem k ü nstlichen See in der Mitte. H ü bsch und selbstbewusst, majest ä tisch, doch nicht gebieterisch, entsprach sie dem bescheidenen Wunsch nach Respektabilit ä t, aber ohne gro ß es Trara, der typisch f ü r Australier ist. Dar ü ber hinaus hatte Griffin ein sehr fortschrittliches Verst ä ndnis davon, wie wichtig Pr ä sentation ist. Er reichte nicht etwa bescheidene Skizzen ein, die aussahen, als seien sie auf die R ü ckseite eines Bierdeckels gekritzelt, sondern eine Serie gro ß er Panoramazeichnungen, hervorragend ausgef ü hrt auf feinstem gespannten Leinen. Die Dienste seiner jungen Frau, Marion Mahony Griffin, waren ihm dabei von unsch ä tzbarem, wenn nicht gar unabdingbarem Wert, denn sie geh ö rte zweifellos zu den gro ß en Architekturzeichnern dieses Jahrhunderts.
    Auf den Bildern, alle von Marion, sieht man die Umrisse einer Skyline voll h ü bscher Formen - hier eine Kuppel, dort ein Zikkurat -, doch ü berraschend wenige verbindliche Einzelheiten. Es sind verf ü hrerische Impressionen, fl ü chtig, klug in die Ferne ger ü ckt, und man kann sie mit gro ß em Vergn ü gen stundenlang betrachten. Dreht man ihnen jedoch nur einen Moment lang den R ü cken zu, erinnert man sich an nichts, was darauf, nur, dass es ä sthetisch sehr befriedigend war. Obwohl Griffin und seine Frau nie in Australien gewesen waren (sie arbeiteten mit topografischen Karten), zeigen die Zeichnungen eine fast unheimliche Verbundenheit mit der Landschaft, eine regelrechte Liebe zu ihrer schlichten, klaren Sch ö nheit und dem hohen Himmel, und man h ä tte sicher schw ö ren m ö gen, dass das auf intimster Vertrautheit basierte. Ohne dass ich Walter am Zeuge flicken will: Er war ein begabter, manchmal sogar begnadeter Architekt; aber Marion war das Genie des Gespanns.
    Beide hatten eine entschieden bohemehafte Ader - er mochte gro ß e Schlapph ü te und Samtkrawatten; sie hatte den unseligen Hang, a la Isadora Duncan in durchscheinenden Gew ä ndern ü ber Waldlichtungen zu tanzen -, was sicherlich in der raubeinigen Welt der australischen Politik im zweiten Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts gegen sie sprach. Finanzielle Mittel oder Begeisterung warteten jedenfalls nur in begrenztem Umfang auf sie, als sie 1913 im Lande eintrafen; nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges im darauf folgenden Jahr wurde beides noch sp ä rlicher. Doch als Griffin erst einmal an Ort und

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