Frühstück mit Kängurus
Stelle war, schien er ohnehin unf ä hig zu sein, die Dinge in die Hand zu nehmen. Er hatte keine Erfahrung, ein gro ß es Projekt zu managen, und war vom Temperament her auch gar nicht dazu geeignet. Als Ende 1920 noch nichts weiter geschehen war, als dass provisorisch die Hauptstra ß en abgesteckt waren, verlie ß er - mehr oder weniger in gegenseitigem Einvernehmen - das Projekt.
Er blieb aber noch f ü nfzehn Jahre in Australien und wurde einer der gefeiertsten Architekten des Landes, obwohl fast alle Bauten, die er entwarf, entweder nie gebaut oder seitdem abgerissen worden sind. Von wachsenden finanziellen Schwierigkeiten bedr ä ngt, zog er 1935 nach Indien, wo er 1937 von einem Ger ü st fiel, Bauchfellentz ü ndung bekam und im Alter von sechzig Jahren starb. Er wurde anonym beerdigt. Heute zeugen von seiner langen, arbeitsreichen Karriere eigentlich nur das Newman College an der University of Melbourne, ein paar st ä dtische M ü llverbrennungsanlagen und Canberra - was ja eigentlich gar nicht von ihm ist.
Nur der Grundriss, der stammt von ihm - die Alleen, die Kreisverkehre, der See, der die Stadt in zwei H ä lften gliedert.
Doch die einzelnen Teile gerieten in Dutzende andere H ä nde, von denen keine wusste, was die anderen taten. Eine vollkommen neue Stadt wurde erbaut, der es an eben der Geschlossenheit mangelt, die Griffins Entwurf auszeichnete. Nun sind im Grunde nur ein paar Regierungsgeb ä ude in einer menschengemachten Wildnis verstreut. Selbst der See, der sich zwischen der Gesch ä ftsund der Parlamentsh ä lfte hindurchwindet, hat eine seltsam langweilige, k ü nstliche Atmosph ä re.
An sein waldiges Nordufer, in das dort auf einer abfallenden Halbinsel gelegene Geb ä ude bescheidenen Ausma ß es, die National Capital Exhibition, begab ich mich nun zuerst, eher in der Hoffnung, ein bisschen trocken zu werden als in der Erwartung, etwas Entscheidendes f ü r meine Bildung tun zu k ö nnen.
Es war ziemlich voll. Am Eingang sa ß en zwei freundliche Damen an einem Tisch und gaben Gratisbesucher- p ä ckchen aus - gro ß e hellgelbe Plastikt ü ten, die mit einem Ausdruck der Dankbarkeit und des Entz ü ckens von allen entgegengenommen wurden, die des Weges kamen.
» Ein Besucherpaket gef ä llig, Sir? « , rief mir eine der Damen zu.
» O ja, bitte « , sagte ich, begeisterter, als ich zugeben m ö chte. Die Gabe war ziemlich gewichtig - sie schleifte beim Tragen ü ber den Boden, weil sich die Griffe lang zogen -, doch bei genauerem Durchsehen enthielt sie nichts weiter als massenhaft Brosch ü ren, offenbar die vollst ä ndigen Werke des Besucherzentrums, das ich am Vortag besucht hatte. Ich schleppte sie eine Weile lang mit und kam dann auf die glorreiche Idee, sie diskret hinter einer Topfpflanze zu entsorgen. Und jetzt kommt's. Hinter der Topfpflanze war gar kein Platz f ü r meine gelbe Plastikt ü te! Es standen schon neunzig andere da. Ich schaute mich um und siehe da! Fast niemand mehr trug eine gelbe Plastikt ü te. Da stellte ich meine an die Wand hinter der Pflanze. Als ich mich wieder aufrichtete, sah ich einen Mann auf mich zukommen.
» Kommen die T ü ten hier hin? « , fragte er todernst.
» Ja « , erwiderte ich gleicherma ß en todernst.
In meiner nunmehrigen Eigenschaft als Leiter f ü r innerbetriebliche Abl ä ufe sah ich zu, wie er die T ü te sorgsam an die Wand lehnte. Dann blieben wir einen Moment lang beieinander stehen und betrachteten sie wohlgef ä llig und erfreut, dass wir zu dem wichtigen Werk, hunderte gelbe Plastikt ü ten vom Foyer zu einer Sammelstelle im Nebenzimmer zu transportieren, unseren Beitrag geleistet hatten. Als wir da standen, kamen noch zwei Leute vorbei. » Stellen Sie sie nur dort ab « , sagten wir ihnen unisono und zeigten auf die Stelle, wo wir einen kleinen Damm errichten konnten. Dann nickten wir uns zufrieden zu und gingen weiter.
Die National Capital Exhibition war exzellent. Das sind Ausstellungen in Australien fast immer. Die Ö rtlichkeiten waren nicht gro ß , vermittelten einem aber einen soliden Ü berblick ü ber Geschichte und Entwicklung Canberras. Ü berraschend fand ich, wie sehr neu das meiste ist. Lake Burley Griffin wurde zum Beispiel erst 1964 mit Wasser voll gelassen. ( Ü brigens: Wer auch immer dem See den Namen gab, wusste augenscheinlich nicht, das Burley der zweite Vorname des Stadtplaners war und nichts mit seinem Nachnamen zu tun hatte.) Davor, also viele Jahre lang, war er nur eine schlammige Kuhle
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