Frühstück mit Kängurus
Der Fänger im Roggen, In einem anderen Land, Farm der Tiere, Die Leute von Peyton Place, Eine andere Welt, Schöne neue Welt und Aberhunderte andere. Der Grund dafür ist simpel: Sie waren verboten. Auf dem Höhepunkt der Zensur war die Einfuhr von fünftausend Titeln untersagt. In den Fünfzigern war diese Zahl auf ein paar hundert gefallen, enthielt jedoch immer noch ein paar bemerkenswerte Verbote: Kinderkriegen ohne Schmerz zum Beispiel, dessen unerschrockene Offenheit darüber, woher die Babys kamen, für das australische Zartgefühl als einen Zacken zu heftig empfunden wurde. Im Übrigen handelte es sich bei den genannten lediglich um ganz normale Titel. Schmutz und Schund waren ohnehin verboten.
Welche Bücher man nicht bekommen konnte, fand man außerdem nie heraus, denn schon die Liste der verbotenen Titel war geheim.
Interessanterweise machte Adelaide mit all dem ein Ende. Jahrzehntelang war es eine der ernsthaft nicht progressiven Städte Australiens gewesen, woran sicher Sir Thomas Playford achtunddreißig Jahre lang, von den Dreißigern bis zu den Sechzigern Premierminister von South Australia, nicht ganz unschuldig war. Er war derart lokalpatriotisch, dass er bei einer Getreideknappheit einmal vorschlug, man solle »Weizen aus Australien importieren«, und so kleinkariert, dass er dem Präsidenten der Universität von Adelaide einmal gestand, dass er Universitäten völlig überflüssig finde. Sie können sich vorstellen, dass er das intellektuelle Leben South Australias nicht wesentlich bereicherte. Dann wurde im Jahre 1967 der jugendliche, charismatische Labour-Mann Don Dunstan gewählt, und prompt erlebten Adelaide und South Australia grundlegende Veränderungen. Die Stadt wurde ein Zufluchtsort für Künstler und Intellektuelle. Das »Adelaide Festival« erblühte zum bedeutendsten kulturellen Ereignis der Nation. Bücher, die woanders in Australien immer noch verboten waren wie zum Beispiel Portnoys Beschwerden und Naked Lunch, waren in Adelaide frei erhältlich. Nacktbadestrände wurden erlaubt, Homosexualität legalisiert. Eine aufregende Dekade lang war Adelaide die hipste Stadt des Landes - ein australisches San Francisco.
Dann starb 1979 Dunstans Frau, und er zog sich aus der Politik zurück. Adelaide verlor seinen ganzen Schwung und versank allmählich wieder in Bedeutungslosigkeit. Die Künstler und Intellektuellen verschwanden; sogar Dunstan zog nach Victoria. Unter Playford war South Australia rückständig, aber interessant rückständig gewesen, unter Dunstan swinging, in allerhöchsten Höhen. Heutzutage ist, glaube ich, sein wirkliches Problem, dass es einfach aufgehört hat, interessant zu sein.
Trotzdem. Es ist eine wunderbare Stadt für einen Spaziergang an einem Sommertag. Ich tätigte eine Anzahl kleinerer Anschaffungen in dem Buchladen - ein altes Hardcover mit dem Titel Australian Paradox (mir gefiel der Einband, und es war zum günstigen Preis von zwei Dollar zu haben) und ein neueres Werk mit dem Titel Crocodile Attack in Australia, das zwar fast zehnmal so teuer war, doch eine Unmenge grauslicher Geschichten enthielt - und begab mich dann auf einen längeren Bummel durch die grünen, ausgedehnten Parks der Stadt.
Adelaides Innenstadt besitzt stolze eintausendundachthundert Morgen Parkfläche, weniger als Canberra, doch viel mehr als die meisten anderen Städte gleicher Größe.
Wie so vieles in Australien spiegeln die Parks den Versuch wider, ein vertrautes britisches Ambiente in australischer Umgebung zu erschaffen. Offenbar wünschten sich die Menschen, wenn sie nach Australien kamen, vor allem anderen eine englische Kulisse. Wenn man frühe Gemälde des Landes anschaut, fällt einem immer wieder auf, wie künstlich, wie wahnsinnig unaustralisch die Landschaft oft wirkt. Selbst die Eukalyptusbäume sind ungewöhnlich grün und rund, als wollten die Maler ihnen um jeden Preis ein englisches Aussehen verleihen. Da der Kontinent für die ersten Siedler sehr enttäuschend war, sehnten sie sich nach ihrer Heimat. Sie bauten ihre Städte mit riesigen Parks im englischen Stil, mit Eichen-, Buchen-, Kastanien- und Ulmengruppen, sodass sie an die idealistisch bukolischen Elysien der großen Landschaftsarchitekten Humphry Repton oder Capability Brown erinnerten. Adelaide ist die trockenste Stadt im trockensten Bundesstaat auf dem trockensten Kontinent, doch darauf würde man nie kommen, wenn man durch seine Parks wandert. Hier ist für immer und ewig Sussex.
Leider kommt das
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