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Frühstück mit Kängurus

Titel: Frühstück mit Kängurus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill - Bryson
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Trostpreis. Wahrscheinlich weil neue Bücher in Australien seit jeher teuer sind, gibt es ausgezeichnete Secondhandläden, die stets eine große Abteilung »Australiana« haben, die einen in Bewunderung versetzt, und sei es nur, weil man hier sieht, wie sehr die Australier mit sich selbst beschäftigt sind. Das meine ich nicht als Kritik. Wenn die übrige Welt sie nicht beachtet, müssen sie es selbst tun. Das ist doch nicht mehr als recht und billig. In diesen chaotischen Buchläden findet man die herrlichsten Titel: Wo ich meine Frau traf: Eine Geschichte aus der ersten Badeanstalt in der Hauptstadt Canberra. Daneben ein dicker Wälzer: Gemeinsam sind wir stark: Eine Chronik des Fußballclubs der Universität Sydney. Oder eine Geschichte des südaustralischen Krankenrettungswesens. Es gab Hunderte ähnlicher Titel - Bücher über Dinge, für die sich nie im Leben mehr als eine Hand voll Menschen interessiert, was zum einen ermutigend, zum anderen aber auch ein bisschen besorgniserregend ist.
    Trotzdem macht man oft die tollsten Entdeckungen. Mir war zum Beispiel ein Fotoband über die Geschichte von Surfers Paradise in die Hände gefallen, jenes berühmten Küstenbadeortes in Queensland, wo ich ja in Bälde hinfahren wollte. Es ging um dessen Entwicklung von den zwanziger Jahren, als er ein weder berühmtes, noch bedeutendes fliegenbrummendes Küstenkaff war, bis zum Beginn der siebziger, als er sich urplötzlich zu einem Miami Beach der südlichen Hemisphäre entwickelte. Besonders spannend fand ich die Fotos aus der mittleren Phase, den Vierzigern und Fünfzigern, als er in Atmosphäre und Erscheinungsbild Coney Island oder Blackpool viel näher kam. Nach einem Ort, den man gar nicht kennt, Heimweh zu haben, ist schon komisch, doch so erging es mir mit Surfers Paradise und seinen unschuldigen Feriengästen. Verzückt betrachtete ich Seite um Seite hübscher Schwarzweißaufnahmen glücklicher Menschen im Urlaub - wie sie in Gruppen über die Strandpromenade schlenderten, in Ballsälen Jitterbug tanzten, mit Drinks in Strandbars saßen. Wie ich sie um ihre flotte Kleidung beneidete! Mir ist klar, dass ich damit einer Minderheit angehöre, aber ich gäbe, wer weiß was, darum, wenn ich in einem Zeitalter lebte, in dem ich zweifarbige Schuhe, rote Socken, ein fesches Baumwollhemd mit einem kleinen Muster tragen könnte, das an Gepäckaufkleber erinnert (das Muster, nicht das Hemd), meine sackigen Hosen bis unter die Achseln ziehen, mir einen Filzhut aufs Haupt drücken könnte und die Leute, die an mir vorbeigingen, würden zweimal gucken und denken: »Fescher junger Mann.«
    An dieser Welt von damals war etwas wundervoll Unschuldiges, unwiederbringlich Verlorenes. Das sah man auf jedem Foto an dem lockeren, selbstbewussten Schritt und dem sonnendurchfluteten Lächeln der Urlauber. Diese Menschen waren glücklich. Ich meine nicht, glücklich. Ich meine glücklich. Sie hatten das Glück, dass sie in einer guten Zeit in einem glücklichen Land lebten, und sie wussten es. Sie hatten anständige Jobs, ein schönes Zuhause, nette Familien, gute Perspektiven, herrliche Ferien an fröhlichen, sonnigen Orten. Ich will mitnichten behaupten, dass die Australier heute unglücklich sind - im Gegenteil, nichts weniger als das -, doch sie strahlen nicht mehr so. Das tut, glaube ich, keiner mehr.
    Es war gleichzeitig, man muss es sagen, eine Epoche grässlichster Prüderie. In den Fünfzigern war Australien vermutlich die am wenigsten selbstbewusste Nation in der englischsprachigen Welt. Es war so weit von allem entfernt, dass die maßgeblichen Stellen offenbar nicht so recht wussten, was sich noch schickte, im Wesentlichen auf Nummer Sicher gingen und nichts erlaubten. Eines der Fotos von Surfers Paradise zeigte zum Beispiel ein Souvenirgeschäft mit dem riesengroßen, berühmten Coppertone-Sonnenmilch-Werbeplakat auf dem Dach, auf dem ein übermütiger Welpe einem kleinen Mädchen den Badeanzug herunterzieht und vier, fünf Zentimeter süßer Po zu sehen sind. Und jetzt kommt's. Jemand hatte eine Leiter geholt, war mit einem Eimer Farbe hinaufgeklettert und hatte es übermalt. (Wo kämen wir denn da hin, wenn die Leute auf der Strandpromenade anfingen zu onanieren!) Und nicht nur Sonnenmilch-Werbeplakate wurden zensiert, sondern Filme, Theaterstücke, Zeitschriften und Bücher in einem unglaublichen Ausmaß.
    Was zur Folge hat, dass man viele Bücher nicht in den Secondhandläden findet. Fünfzigerjahre- und frühere Ausgaben von

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