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Frühstück mit Kängurus

Titel: Frühstück mit Kängurus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill - Bryson
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sofort, warum, denn sie zieht sich fast einhundertsiebenundachtzig Meilen lang auf haarsträubende Weise an einer unglaublich schwierigen Küste entlang, umrundet felsige Landzungen und klammert sich an die Ränder senkrecht abfallender, bröckeliger Klippen. Wegen der unzähligen Haarnadelkurven muss man höllisch aufpassen und hat zum Gucken kaum eine Sekunde Zeit. Doch ich dachte, ab und zu ein kurzer Blick ist besser als nichts. Hier und dort standen von den unermüdlichen Erosionskräften des Meeres geschaffene Felsnadeln im Wasser. Früher gab es sogar einen natürlichen Felsbogen namens London Bridge, über den man schlendern und von oben auf die See schauen konnte, doch er ist 1990 zusammengebrochen. Tonnen von Gestein stürzten in die Brandung, und zwei erschreckte, aber unversehrt gebliebene Touristen standen auf dem seewärtigen Stumpf. Die London Bridge heißt jetzt London Stacks, nicht mehr Brücke, sondern Klippe.
    Die Fahrt war so herrlich, wie der Reisef ü hrer versprochen hatte: Auf der einen Seite fielen die steilen, bewaldeten, subtropischen Berge der Otway Range direkt an lange, geschwungene Str ä nde, die an beiden Enden von Felsformationen eingerahmt wurden. Dieser Teil Victorias ist wegen zweierlei ber ü hmt: Surfen und Schiffbr ü chen. Mit ihren wilden Str ö mungen und gewaltigen Nebeln war die S ü dk ü ste des Bundesstaates bei Seeleuten lange ber ü chtigt. Wenn man sie trockenlegte, s ä he man eintausendzweihundert zerschellte Schiffe auf dem Meeresboden, mehr als irgendwo sonst auf der Welt.
    Von Zeit zu Zeit stieg ich aus, genoss die Aussicht - anders war es einem einsamen Fahrer wie mir nicht möglich - und bummelte durch ein, zwei der liebenswürdig altmodischen kleinen Seebäder, die am Wege lagen. Sie waren überraschend ruhig, wenn man bedachte, dass es mitten im australischen Sommer und einen Tag nach dem Nationalfeiertag war.
    In Torquay traf die Great Ocean Road wieder auf die Hauptroute nach Melbourne. Zwanzig Meilen gen Westen lag Winchelsea, wo Thomas Austin die vierundzwanzig Kaninchen freiließ, die die australische Landschaft veränderten. Ringsum sah sie reichlich trocken und wenig verheißungsvoll aus - sie erinnerte mich an Oklahoma oder Westkansas -, aber ich wusste natürlich nicht, wie viel davon der Gefräßigkeit der putzigen Nager geschuldet war. Man würde ja nun meinen, dass Menschen aus einer solchen Erfahrung lernen, aber nein, erstaunlicherweise nicht. Just zu dem Zeitpunkt, als sich Austins Kaninchen quer durchs Land fraßen, importierten maßgebliche Leute andere Tierarten in großer Anzahl - manchmal, weil sie sie jagen wollten, manchmal aus Versehen, doch meist, weil sie ein bisschen Schwung in ihr Leben bringen wollten. Der gleiche Wunsch, der die Menschen veranlasste, in Städten wie Adelaide Parks im englischen Stil anzulegen, verführte sie auch zu dem Versuch, die Landschaft zu manipulieren. Australiens Tier- und Pflanzenwelt bot ihnen zu wenig Abwechslung, seine trockenen Ebenen wurden als zu eintönig betrachtet, seine Wälder als zu still. Und so gründete man Akklimatisierungsgesellschaften, die nichts Eiligeres zu tun hatten, als Dutzende von Neuheiten einzuführen, um die Sehnsucht nach dem Vertrauten zu stillen. Doch schon bald fanden diese, dass sie es ja eigentlich nicht bei britischen oder überhaupt europäischen Tieren belassen mussten. Sie träumten zum Beispiel davon, in Australien eine afrikanische Steppe, ein Veldt, zu kreieren; auf den sonnigen Weiten sollten Giraffen, Springböcke und Büffel grasen. Die Bemühungen nahmen einen fast surrealen Charakter an. 1862 forderte Sir Henry Barkly, der Gouverneur von Victoria, Affen in den Wäldern des Staates auszusetzen, »zum Amüsement der Wanderer, die sich an ihren Tollereien ergötzen würden«. Bevor entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden konnten, wurde Barkly im Amt von Sir Charles Darling abgelöst, der keine Affen wollte, aber mit Freuden Boa constrictors begrüßt hätte. Auch er kriegte seinen Willen nicht, unzählige andere dagegen sehr wohl. Trotz der Erfahrung mit den Kaninchen wurden Dutzende anderer Tiere und Pflanzen eingeführt. In den sechziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts setzte die Ballarat Acclimatization Society Füchse aus, und sie wurden rasch zur Landplage, was sie immer noch sind. Andere Tiere entfleuchten oder wurden in die Freiheit entlassen und verwilderten. Zum Bau der Eisenbahn von Adelaide nach Alice Springs benutzte man Kamele, die man

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