Frühstück mit Kängurus
bisschen Taschengeld damit verdienen « , sagte sie.
Es handelte sich, wohlgemerkt, um einen Mann, der vor nicht allzu langer Zeit das zweith ö chste Amt im Lande innegehabt hatte. Es war ja, als tr ä fe man Walter Mondale an einem Spieltisch in einem Einkaufszentrum in Minneapolis sitzend und Untersetzer und andere Memorabilia aus dem Wei ß en Haus feilbietend.
» Macht er das regelm äß ig? « , fragte ich.
» Ja, er geh ö rt schon zum Inventar. Willst du ihn kennen
lernen? «
» Aber sicher. «
Wir fanden einen Parkplatz und stellten das Auto ab, doch als wir in die Markthalle kamen, war er schon weg. Offenbar hatten wir ihn auf dem Heimweg gesehen. » Manchmal l ä uft es, glaube ich, nicht so berauschend « , sagte Carmel mitf ü hlend. » Er verkauft das Buch schon lange. «
Ich nickte und dachte nicht zum ersten Mal, was f ü r ein seltsames, kleines, fremdes Land Australien ist.
Auf dem Weg zum Immigration Museum liefen wir an dem neuen Crown Casino vorbei, einem Gl ü cksspielpalast, den die Melbourner entweder verabscheuen, weil er ordin ä r ist und dumme Leute dazu verf ü hrt, ihre ganzen Ersparnisse aufs Spiel zu setzen, oder den sie lieben, weil er ordin ä r ist und manchmal gro ß e Gewinne aussch ü ttet. » Willst du ihn dir mal ansehen? « , fragte Carmel. Ich z ö gerte. Ich hatte das Gef ü hl, meine diesbez ü gliche Neugierde bei meiner ersten Reise im Penrith Panthers Club in Sydney befriedigt zu haben, doch sie sagte ungew ö hnlich ü berzeugt: » Ich glaube, du findest es interessant « , und wir gingen hinein.
Ach, sie hatte ja so Recht. Es war ein Wahnsinnsbau - selbst der Penrith Club wirkte dagegen winzig und bescheiden - mit allem m ö glichen Schnickschnack. In einem erh ö hten Innenhof gab es eine turbulente Lasershow mit Synthesizer-Melodien und jeder Menge waberndem Rauch (wahrscheinlich, damit die Damen an den Tanzstangen besser zur Geltung kamen), doch kaum jemand schaute hin. Zur Sache ging es im Casino dahinter, das hinsichtlich der Innendekoration nicht weniger extravagant war und sich scheinbar endlos ausdehnte. Derjenige, der den Auftrag f ü r den Teppich bekommen hat, musste seitdem bestimmt nicht wieder arbeiten. Wir brauchten zwanzig Minuten, um von einem Ende des Raums zum anderen zu gelangen. Es war wuselig und konzentriert zugleich; noch nicht mal Mittagszeit, und an die zweitausend Spieler waren schon hingebungsvoll zugange. Kaum ein Tisch oder ein Automat, der nicht mit Beschlag belegt war. In der Gr öß enordnung hatte ich au ß erhalb von Las Vegas noch nichts gesehen. Doch in Las Vegas probieren eine Menge Leute nur mal herum und am ü sieren sich. Hier interessierten sie sich nur f ü r das eine. An einem Roulettetisch sah ich einen Mann, der vielleicht zwanzig Chips einsetzte, alles verlor, in seine Brieftasche griff, zwanzig F ü nfzig-Dollar-Noten herausholte und neue Chips kaufte. Allm ä hlich - denn das st ä dtische Australien ist derart multikulturell, dass einem das normalerweise kaum auff ä llt - d ä mmerte mir, dass der Mann und der ü berwiegende Anteil der Kunden Chinesen waren. Vielleicht irrte ich mich bei seiner Garderobe, aber er sah aus wie ein Kellner oder Koch, jedenfalls nicht wie jemand, der es sich leisten konnte, bei einem Casinobesuch tausende zu verlieren. Als ich mit Carmel dar ü ber sprach, nickte sie.
» Irre, was die hier verspielen « , fl ü sterte sie und l ä chelte matt. » Es ist ein Riesengesch ä ft. Hier l ä uft eine Milliarde Dollar im Jahr durch. Victoria bezieht f ü nfzehn Prozent seiner Einnahmen aus dem Gl ü cksspiel. «
Ich rechnete einen Moment. Es mussten hunderte Millionen Dollar sein. » Und wie viele Casinos gibt es im Staat? « , fragte ich.
» Na, nur das hier « , sagte sie.
Das Immigration Museum direkt hinter dem Yarra River in einem vornehmen alten Geb ä ude, dem ehemaligen st ä dtischen Zollhaus, bot einen ruhigen und geistig entschieden anspruchsvolleren Kontrast. Es hatte erst kurz zuvor er ö ffnet und glitzerte und strahlte immer noch vor Neuheit. Howe hatte es mir besonders deshalb ans Herz gelegt, weil er als St ü tze der Gesellschaft eine der treibenden Kr ä fte bei seiner Gr ü ndung gewesen war. Da die Geschichte der Immigration im Wesentlichen die Geschichte des modernen Australien ist, war es in Wirklichkeit ein Museum f ü r Sozialgeschichte und das Beste, das ich je gesehen hatte.
In einer riesigen Halle in der Mitte befand sich das gro ß e Modell eines
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