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Fruehstueck mit Proust

Fruehstueck mit Proust

Titel: Fruehstueck mit Proust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frédérique Deghelt
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hatte: die Begegnung mit Rajiv, das Zusammenleben mit Mamoune oder die Schwierigkeiten, auf die sie stieß, wenn sie als Einzige gegen die herrschenden Umstände im Journalismus rebellierte. Wahrscheinlich alle drei zusammen.
     
    An diesem Tag ging sie den weiten Weg zu ihm zu Fuß. Es tat ihr gut, ihren durch die schlechte Haltung am Schreibtisch verspannten Rücken etwas zu lockern, und sie genoss diesen Moment vor ihrem Wiedersehen. Sie hatten sich seit vier Tagen nicht mehr gesehen. Eine Ewigkeit! Sie war etwas zu früh dran und ging noch einen Kaffee trinken, stieß unglücklich gegen die Tasse und ergoss deren Inhalt auf die Untertasse, unter dem amüsierten Blick des Kellners. Mein Gott, noch bevor sie überhaupt bei Rajiv angekommen war, spielte ihr Herz schon verrückt. Dann endlich die große Haustür aus rotem Holz, der Eingangscode, die Hand zur Klingel ausstrecken. Sie wusste, dass er sie mit seinem fröhlichen Lächeln begrüßen würde, aber sie hielt ihre Hand noch zurück, lehnte den Kopf an die Tür und wartete, bis das Stück zu Ende war, das er gerade spielte. Ein auf die Wange gehauchter Kuss. Er bot ihr einen Tee an, dann nahm er sie wieder in den Arm. Jade war überrascht. Bei jedem Wiedersehen war Rajiv erst einmal so distanziert, dass sie sich jedes Mal fragte, ob sie ihre letzte Umarmung nur geträumt habe, als sei zwischen ihnen noch gar nichts passiert.
    Jade, flüsterte er ihr mit dieser Stimme zu, die sie so liebte, und nahm ihr Gesicht in seine Hände. Er sah sehr ernst aus. Weißt du eigentlich, was dein Name bedeutet? Er sagte ein paar Wörter, die sie nicht verstand. Das ist Chinesisch, erklärte er. Habe ich auch vermutet, dachte sie. Die Jadepforte. Rajivs Hand glitt hinunter zu ihren Schenkeln, sie war durch den seidigen Stoff ihres Rocks deutlich zu spüren. Sie streckte ihm die Lippen entgegen, um seinem so intensiven schwarzen Blick zu entgehen. Doch er berührte ihren Mund nur ganz sacht, dannflüsterte er ihr die geheimen Bedeutungen ihres Namens ins Ohr, und ein Erschauern ging durch ihren Körper. Mit glühenden Wangen und Angst im Bauch, zitternd und keuchend vor Lust, streckte sie die Hände vor, als suche sie Halt. Er fuhr fort, ihren Namen und seine erotischen Bedeutungen aufzuzählen und sie mit neuen Zärtlichkeiten zu umfangen. Sie hätte nie gedacht, dass sich hinter den vier Buchstaben J-A-D-E so viele Bettgeheimnisse verbargen. Aber die Wogen des Begehrens machten sie zu einer schlechten Schülerin, sie verlor den Faden seiner Stimme und hörte nur noch auf seine Gesten. Die Vorlesung geriet zu einer praktischen Übung.
    Später – aber wo war in diesen Augenblicken die Zeit? – lag sie zitternd und nackt da, die Knie an die Brust gezogen, und schaute ihm zu, wie er Tee servierte. Er warf ihr ein spöttisches Lächeln zu.
    »Ich muss wohl noch mal von vorn anfangen, du machtest keinen sehr aufmerksamen Eindruck bei meinem Vortrag!«
    »Ich bin halt ein bisschen langsam! Das war zu viel auf einmal. Ich hätte mir Notizen machen sollen …«
    »Komisch, und ich dachte, du als professionelle Journalistin …«
    Er lachte und schnappte nach dem BH, den sie ihm ins Gesicht schleuderte.
     
    Als Jade zur Metro zurückging, schwebte sie wie auf Wolken. Wörter tanzten über den Bildschirm ihrer Gedanken. Mit Jade spielen,
nong yu
, sich lieben, Fellatio, Jadeschaft,
xiao yu
, Jadeperle – wie hieß das noch? Mist, sie hatte die Hälfte vergessen … Und immer noch jagten ihr Schauer den Rücken bis zum Nacken hinauf. Egal,Jade – Yu – sah sich mittlerweile mit anderen Augen! Sie musste an Rajivs rätselhaftes Lächeln zurückdenken, als er sie bei ihrem ersten Essen fragte, wie die Jadepforte zu öffnen sei, wobei er ihr die Bedeutung dieses Ausdrucks damals wohlweislich nicht enthüllt hatte.
    Unter dem Arm trug sie das
Ananga Ranga
und den
Duftenden Garten
, zwei Bücher, die Rajiv ihr geliehen hatte, und ging summend die Straße entlang. Wie viele Gefühle konnten die Eigenarten einer Sprache in einem wecken …! Ihr war, als entdeckte sie alles noch einmal neu, als würde sich der Teppich der noch zu lebenden Jahre gerade erst vor ihr ausrollen.

Mamoune
    I ch hätte nie gedacht, dass man sich mit dreißig schon solche Sorgen über sein Alter machen kann. Ich hatte eben eine Unterhaltung mit Jade, die mich völlig aus der Fassung gebracht hat. Ich weiß nicht mehr, was ich in diesem Alter gedacht habe, aber ich glaube, ich war ganz und gar damit beschäftigt,

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