Frühstück um sechs
»Mitte
Dezember? — O ja, das könnte ich schaffen.«
»Gut. Dann schicken Sie sie mir
zum Überprüfen, ja? Machen Sie für sich eine Kopie von allen. Die ersten werde
ich für Mitte Januar ins Programm einsetzen, dann wahrscheinlich in Abständen
von vierzehn Tagen die weiteren bringen. Könnten Sie kurz nach Neujahr zur
Prüfung Ihrer Stimme und für die Aufnahmen in die Stadt kommen?«
Ich wünschte, es hätte sich ein
anderer Zeitpunkt finden lassen, denn im Januar konnte Paul sehr schlecht die
Farm verlassen, das hatte er mir ja im letzten Jahr deutlich gemacht mit der
Erklärung, erhätte nur im Februar Zeit, mich zu heiraten. Ich sagte
aber Miss Graham zu und fuhr auf dem Heimweg schneller als vernünftig war, um
zunächst zu Larry zu kommen, denn ich hatte seit Beginn des Rundfunkplans noch
nicht den Kopf von der Schreibmaschine erhoben, um die Neuigkeit >in die
Welt< zu telefonieren. Jetzt hielt mich nichts mehr, ich mußte es ihr
erzählen.
Larry war hingerissen. »Wie
wundervoll, Liebste!« rief sie. »Ich sehe dich schon als richtige
Rundfunktante, immer freundlich und verständnisvoll, wenn die Leute dir
schüchtern ihre Fragen schicken, wie sie die beste Currysauce machen oder sich
die Liebe ihres Mannes erhalten können. Das muß ja riesigen Spaß machen! Und du
solltest deine Vorträge auf mein Niveau abstellen, denn ich bin einer der
sogenannten Durchschnittshörer und ich höre tatsächlich manchmal die Frauenstunde.
Nein, ich bin sogar ein ungebildeter Hörer, genau von der Sorte, die du
brauchst. Ja, du mußt mir alle Geschichten gleich vorlesen.«
»Das könnte ich nicht, du
würdest mich zum Lachen bringen. Aber vielleicht kannst du mit mir in die Stadt
kommen, wenn sie aufgenommen werden? Anfang Januar. Paul kann dann einfach
nicht weg. Wenn wir zusammen führen, das wäre doch prima!«
»Selbstverständlich kann ich.
Das möchte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen; du mußt mich unbedingt
mitnehmen. Ich war noch nie in so einem Rundfunkpalast, den ich schon immer
gern sehen wollte. Dann kann ich auch mal feststellen, wie sie die Pferde zum
Galoppieren und das Wasser zum Sprudeln und Rauschen bringen, wenn die Heldin
beinahe im Fluß ertrinkt! — Oh, Susan, was haben wir noch Vergnügen vor uns!
Wer hätte gedacht, daß ich mal eine Freundin haben würde, die sich plötzlich
als berühmte Schriftstellerin entpuppt!« Niemand konnte sich so mitfreuen wie
Larry.
20
Ich schrieb stürmisch weiter
über Belinda und beendete die Serie in vier Tagen. Sonderbar, wie der Mensch
sich beim Schreiben an einen Charakter ganz verlieren kann, um ihn nur
gelegentlich zu verlassen und erst, wenn die Arbeit fertig ist, gleichsam an
die Oberfläche zu kommen und wieder ins normale Leben zu finden. Ich wußte
wohl, daß es den Meistern der Literatur so ging, hatte aber nicht geahnt, daß
es auch bei so geringfügigen Arbeiten der Fall sein konnte.
Nicht, daß ich die Bedeutung
von >Belinda< falsch eingeschätzt hätte. Sie war als nettes, natürliches
und freundliches Mädchen dargestellt, brachte mir ein paar Pfund ein und das
schmeichelhafte Gefühl, um die Artikel gebeten worden zu sein. Außerdem eine
kleine Reise mit Larry und eine ganz neue Erfahrung, an der ich sicher Spaß
haben würde. Und schließlich: Falls ich jemals das Buch schreiben sollte, auf
das Paul immer noch dunkel anspielte, war die Arbeit mir eine gute Vorübung
gewesen.
Das alles sagte mir mein guter
Menschenverstand, und trotzdem hatte ich den Sinn für Proportionen verloren.
Zuerst ließ ich die Manuskripte von Paul prüfen, der sie geduldig las und ein
paarmal zaghaft lächelte. Schließlich meinte er, während ich atemlos auf sein
Lob wartete, ihm lägen diese Art Geschichten nicht besonders, doch viele Frauen
würden sicherlich ganz erpicht darauf sein.
Das war ein Schlag! Das
Schlimmste, wenn man sich zu sehr vertieft hat: Man meint immer, ein
Meisterwerk geschrieben zu haben, und braucht eine ganze Weile, bis man merkt,
daß das nicht der Fall ist. Na, durch Paul kam ich erheblich schneller zu dieser
Einsicht.
Ich sagte schmollend: »Tut mir
leid, daß du sie nicht magst, aber vielleicht bist du so nett, sie vor allem
darauf durchzusehen, ob ich in puncto Farmwirtschaft einen Fehler begangen
habe, bei den Schafen oder Pferden oder bei der Jagd. Du kennst die Jagd hier, ich
aber nicht, und da kann sich leicht etwas Falsches eingeschlichen haben.« —
Belinda mußte selbstverständlich auch Jägerin
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