Frühstück um sechs
Der Typ, den
Dr. Chavasse so schätzt —hier, hör zu: >Die stille Zurückgezogenheit im
eigenen Heim sollte der größte Genuß einer Dame und ihr kostbarstes Privileg
sein.< Kurzum: >Larry, die echt frauliche Frau.< Fein, was?«
»Und jetzt leg mal die
verflixten Papiere beiseite und rede nicht mehr davon«, sagte Paul zu mir. »In
die Stadt brauchst du ja erst in vier Wochen zu fahren, also mach dir nicht
jetzt schon Sorge um die Rundfunkaufnahmen. — In vierzehn Tagen haben wir
Weihnachten. Wie denkst du darüber, deine Mutter möchte uns doch gern bei sich
sehen. Wenn du Wert darauf legst, könnte ich mich ein paar Tage frei machen.
Möchtest du gern Weihnachten zu Hause sein?«
»Nein«, gab ich zurück, »ich
möchte zu Hause bleiben!«
Ich spürte, wie ihm diese
Antwort zu Herzen ging.
So besprach ich das mit Larry,
und wir beschlossen, am Weihnachtstag hübsch mit unseren Männern zu Hause zu
bleiben. Zum Abendessen wollte ich nur gern Tim bei uns haben. Er war, als Paul
krank im Bett lag, so nett zu mir gewesen, daß ich ihn richtig liebgewonnen
hatte.
»Na schön, dann nimm du ihn«,
sagte Larry, »mit mir muffelt er nämlich immer noch ‘rum. Abends könnten wir ja
dann alle fünf mit den kalten Resten vom Festessen eine nette Party machen.«
Als ich zustimmte, fuhr sie
fort: »Fünf. Ist es nicht spaßig, daß wir nun wieder bloß fünf sind? Eine
Zeitlang waren wir immer sieben, aber Anne und Julian werden wohl kaum jemals
wieder zu uns kommen. Vier Monate ist Anne nun schon fort. Vermutlich ist sie
kuriert! Na ja, Spaß haben wir schon gehabt, als sie da war.«
Mehr hatten wir während der
ganzen Zeit über die betrübliche kleine Liebesaffäre nicht gesagt. Eine der
besten Eigenschaften Larrys, die kaum zu ihr zu passen schien, war ihre
Zurückhaltung in Herzensangelegenheiten, in eigenen wie auch in fremden.
Es schien wirklich, als sollte
unser Kreis sich nicht wieder auf sieben erweitern, denn es kam keinerlei
Nachricht über eine voraussichtliche Rückkehr der Gerards. Gelegentlich traf
von Anne ein Brief für Larry oder mich ein, und Miss Adams bekam, wie es
schien, von ihr fast regelmäßig Nachricht. Danach hatten sie die vier Monate
recht munter verbracht, indem sie zuerst Julian die Sehenswürdigkeiten der
Umgebung zeigten und dann der Reihe nach die im Süden wohnenden Freunde und
Bekannten des Panjandrum und Annes Freundinnen besuchten. Sie hatten dort eine
ganz andere Lebensweise kennengelernt als bei uns, das Leben der großen
Zuchtfarmen von Canterbury und Otago, wo die Schafe nach Tausenden gezählt
werden und die Wolle alljährlich ein Vermögen einbringt.
Zugegeben, daß diesem Leben die
frühere Leichtigkeit und das Weiträumige fehlten. Die meisten der alten
Gutshäuser standen leer, ihre Besitzer wohnten in kleineren, bequemeren
Häusern, wo das Leben für die geplagte Hausfrau leichter war. Da es sowohl für
den Haushalt wie für die Farm wenig Hilfskräfte gab, mußten alle übermäßig
arbeiten. Trotzdem hatte das Leben dort Stil und Tradition. Die Ländereien
wurden vom Vater auf den Sohn vererbt, das Ackerland war nicht erst vor wenigen
Jahren aus dem Urwald gewonnen wie bei uns. Ich hätte gern gewußt, ob das Anne
imponiert und ob der Panjandrum durch seine offensichtliche >Kriegslist<
das gewünschte Ziel erreicht hatte. Aus Annes Briefen war das nicht zu
entnehmen.
Und dann rief sie mich eines
Morgens an. Es war in der Woche vor Weihnachten. Ich glaubte sie noch unterwegs,
doch sie waren schon zu Hause.
»Eigentlich rechneten wir
selbst noch nicht damit«, sagte Anne, »aber zum Schluß ging es ganz plötzlich.
Angekommen sind wir erst gestern abend. Oh, Susan, wie herrlich ist es, wieder
hier zu sein!«
»Werden Sie denn diesmal
hierbleiben?«
»Hoffentlich! Ist noch
unbestimmt. Ich — ich werde Ihnen alles erzählen, wenn ich Sie besuche. Wann
darf ich kommen?«
»Jederzeit, je eher, desto
besser. Wie wäre es heute mittag? Ich muß zwar die Post besorgen, brauche aber
nicht so früh fort. Auch ich habe Ihnen viel zu erzählen.«
»Ach, ich kann’s gar nicht
abwarten! Heute ist es mir allerdings nicht möglich, zu kommen, weil ich Miss
Adams versprochen habe, sie nachmittags zum Tee zu besuchen, und beides würde
ich nicht schaffen. Aber vielleicht kann ich Sie dort treffen?«
»Gern. Ich werde sie
telefonisch fragen. Haben Sie schon mit Larry gesprochen?«
»Nein, ich wollte sie
anschließend anrufen. Oh, Susan, wie freue ich mich, Sie und Larry
Weitere Kostenlose Bücher