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Frühstück um sechs

Frühstück um sechs

Titel: Frühstück um sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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daß ich das Pferd in den Stall gebracht habe.«
    Was mochte sie nur im Sinn
haben? Ob sie unter der Hitze gelitten hatte?
    Mein erster Eindruck von Anne
war ebenso sonderbar: Sie stürzte sich zur Begrüßung förmlich auf mich. Wie
hatten wir uns nur einbilden können, sie verloren zu haben! Sobald aber die
Aufregung des Wiedersehens sich gelegt hatte, bemerkte ich ihr verändertes
Wesen. Sie war viel schlanker geworden und wirkte deshalb wohl auch größer. Das
kindlich runde Gesicht hatte feinere Züge bekommen und erschien älter. Kurzum:
Anne war in diesen vier Monaten eine Erwachsene geworden.
    Ruhiger war sie auch. Als wir
sie drängten, uns ihre Erlebnisse von der großen Reise zu erzählen, sagte sie
fast monoton: »Ach, es war alles sehr nett. Papa und Julian haben die Reise
bestimmt genossen, denn denen behagt diese Lebensweise.«
    »Und Ihnen nicht?«
    »Oh, mir hat es auch Freude
gemacht, aber so richtig wohl fühle ich mich nur hier.«
    Wir tranken plaudernd unseren
Tee, doch hin und wieder entstanden merkwürdige kleine Pausen, als merke Anne, daß
wir an ein gewisses Thema nicht rühren wollten. Wir vermieden ängstlich, Tim zu
erwähnen, und mir wurde langsam klar, daß mein Plan mit diesen Liebenden viel
schwerer durchzuführen war, als ich mir gedacht hatte. Diese Anne war nicht
mehr das zutrauliche, naive Kind vom vorigen Winter.
    Als ich ihr gerade von der
>Belinda< berichtete, hörten wir einen Wagen vorfahren. Anstatt wie sonst das Läuten der Ladenglocke
abzuwarten, lief Miss Adams zu meinem Erstaunen hinaus. Kurz darauf hörte ich
ihre Stimme, unnatürlich und beinah nervös. »Ja, kommen Sie hier herein, die
Papiere sind im Schreibtisch, in einer Minute habe ich sie zur Hand.«
    Die Tür ging auf, und wer stand
da? Tim! — Anne, die mit dem Rücken zur Tür stand, sah ihn nicht gleich. Aber
dann ging alles so schnell, daß wir gar keine Bewegung mehr machen konnten.
    »Tim!« sagte sie nur, und schon
war er ihr zwei Schritte entgegengekommen, und sie lagen sich in den Armen.
    Von der Tür winkte Tantchen
ganz aufgeregt. Ich schrak auf und verließ den Raum so schnell, wie ich mich
noch nie bewegt hatte. Miss Adams hatte mich am Handgelenk gefaßt, und wir
eilten durch den Laden in den Stall zu dem grauen Pferd. Hier konnten wir
wenigstens die beiden nicht belauschen.
    Zum erstenmal, solange ich die
Posthalterin kannte, sah ich Tränen in ihren Augen. Sie nahm den Klemmer ab und
wischte sie mit entrüsteter Miene fort.
    »Werde noch sentimental, ich
alte Närrin! Die zwei sind — sie sind ja so jung!«
    Ich weinte beinah schon mit, da
legte das Pferd, in einer jähen Anwandlung von Sympathie, seine weiche Schnauze
Miss Adams auf den Kopf. Sie stieß es wütend zurück, und wir lachten beide ein
bißchen unsicher.
    »Ein greuliches Untier —
scheint aber das Herz auf dem rechten Fleck zu haben«, sagte sie.
    Und jetzt platzte ich los: »Nun
weiß ich, weshalb Sie das Pferd hier verborgen haben! Tim sollte nicht wissen,
daß Anne wieder da ist.«
    Sie schien mit ihrer Frisur so
viel Mühe zu haben, daß sie nicht antworten konnte, doch ich redete
rücksichtslos weiter: »Sie haben das ganze Komplott geschmiedet. Hätte nicht
gedacht, daß Sie so hinterlistig sein können.«
    Nun musterte sie mich mit
unschuldigem Blick. »Weiß gar nicht, wovon Sie reden! Ich hatte hier wichtige
Postsachen zu unterschreiben, und Tim erklärte sich liebenswürdigerweise bereit,
meine Unterschrift zu bestätigen. Er ist extra deswegen hergefahren.«
    Ich hielt ihren Blick ruhig
aus, während sie eifrig ergänzte: »Wichtige Dokumente, und noch dazu eilig.
Müssen rasch auf den Weg gebracht werden.«
    Ganz grob sagte ich:
»Quatsch!«, worauf Miss Adams sich empört aufrichtete. »Auch jeder andere hätte
die Unterschrift bestätigen können«, fuhr ich fort, während wir zum Laden
zurückgingen. »Weshalb baten Sie nicht mich darum? Nein, Sie hatten Tim
herbeibestellt, damit er Anne hier treffen konnte. Als Überraschung für beide
hatten Sie das geplant!«
    Tantchen blinzelte mir nun
schon wenigstens zu. »Überraschungen können sehr nützlich sein«, sagte sie und
fügte, ihre kühle Reserve einmal vergessend, weich hinzu: »Die kleinen dummen
Schäfchen! Hätten vielleicht diesen Zustand unbegrenzt andauern lassen und ihre
ganze Jugend vertan. Ich wußte aber, wenn sie sich plötzlich gegenüberständen,
dann...«
    Wie klug war diese Frau — und
wie skrupellos! Ich sagte reumütig: »Und dabei habe ich

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