Frühstück um sechs
nicht manipulieren darf!« sagte sie.
»Dann geben Sie mir den Brief zur Ablieferung mit, und ich werde manipulieren.«
»Nein, Larry, auch das nicht. Ich habe einen Eid geleistet, daß ich mit den Postsachen korrekt umgehen werde, und dabei bleibt es auch.«
»Auch wenn den beiden das ganze Leben dadurch verdorben wird. — Ach, wie ich solche Pedanterie hasse!«
»Larry, du darfst Tantchen nicht ärgern«, sagte ich. »Außerdem ist es zwecklos. Gegen ihre Pflichtauffassung können wir nichts machen.«
»Oh, Susan, gebrauche nicht so lange Wörter! Tantchen hören Sie mal zu. Der Panjandrum wird den Brief nicht vor 8 Uhr bekommen, und um neun ist die Trauung. Es bleibt ihm also nur wenig Zeit, sich mit dem Pfarrer in Verbindung zu setzen. Wenn er versucht, ihn anzurufen, könnten Sie doch gewiß sagen >Teilnehmer antwortet nicht< oder könnten die Verbindung verzögern!« Zum erstenmal lächelte Tantchen. »Sie schämen sich wahrhaftig nicht, Larry, denn Sie wissen, daß ich auch das nicht tun darf. Das wäre ebenso unkorrekt wie ein Zurückhalten von Briefen. Ich bin hier Posthalterin und muß mein Amt anständig führen. Wir können nur hoffen, daß der Colonel zur Einsicht kommt.«
»Ach, Sie wissen genau, daß das nicht geschehen wird! Ich finde Sie in diesem Punkt wirklich niederträchtig, aber ich werde mir schon noch etwas ausdenken«, sagte Larry und stieg nach diesen trotzigen Worten ziemlich geknickt in ihr Auto. Ich aber wurde das Gefühl nicht los, daß alles verdorben war. Bestenfalls würde Anne mit ihrem Vater fortreisen müssen und vielleicht Tim ein Jahr oder länger nicht wiedersehen. Bei dem Gedanken, wie froh die kleine Anne uns aus ihrem Wagen zugewinkt und gehupt hatte, hätte ich weinen mögen. Das schien bei mir zur Gewohnheit zu werden.
Aber ich hatte mich mit meinem Glauben, Larrys Drohungen bei Miss Adams seien nur leere Worte gewesen, sehr getäuscht, denn plötzlich stieß sie einen ihrer typischen kleinen Schreie aus, der mich sofort mit Bedenken erfüllte, und hielt den Wagen an. »Jetzt hör mal zu, Susan, ich habe einen Plan.«
Und somit komme ich zum schändlichsten Streich, an dem ich in meinem Leben beteiligt war.
Ich versuchte, Larry ihren Plan auszureden, sie zur Vernunft zu bringen und ihr klarzumachen, daß man gewisse Dinge einfach nicht täte, doch sie sagte nur: »Unsinn, ich bin keine Dame, Gott sei Dank, und habe keinen Ehrenkodex. Daß du anders bist, weiß ich ja, und wenn du meinst, du kannst nicht mitmachen, werde ich’s schon allein fertigbringen.«
Als ich sehr ärgerlich antwortete, sie solle sich nicht idiotisch benehmen, ergriff sie meinen Arm und sagte: »Liebling, ich wußte ja, daß du es tust! Das wird ein Mordsspaß!«
Als sie mit Reden fertig war, sagte ich: »All right, ich tue es, aber ein Spaß wird’s nicht, und Paul wird vor Zorn blau anlaufen.«
»Aber dem sollst du es ja gar nicht erzählen, kein Gedanke! Die andern mit hineinziehen wäre einfach nicht fair.« Daß sie mich hineinzog, schien sie nicht zu bekümmern.
Und so geschah es, daß ich Paul erklärte, ich hätte schlimme Kopfschmerzen, wollte Aspirintabletten nehmen und zu schlafen versuchen. Und wenn’s ihm recht wäre, würde ich mir mein Bett im Fremdenzimmer machen, um ungestört zu bleiben, wenn er schlafen ging. Bei seiner zärtlichen Besorgnis kam ich mir furchtbar schlecht vor. Um den Schein zu wahren, fühlte ich mich verpflichtet, Tee und Gebäck abzulehnen, und der Hunger machte mich noch nervöser. Als ich hellwach im Bett lag, konnte ich hören, wie Paul — was ihm schwerfiel — behutsam auf Zehenspitzen durchs Haus ging, um mich ja nicht zu wecken. Ich belegte Larry im stillen mit allerlei wenig schmeichelhaften Ausdrücken, während die Stunden langsam, sehr langsam verstrichen.
Um 3 Uhr früh zog ich mich an, schlüpfte in die Küche, nahm mir eine Hand voll Biskuits und stahl mich aus dem Hause. Larry hatte gesagt: »Früher dürfen wir’s nicht machen, falls noch jemand wach ist oder ein dringendes Gespräch nach der Stadt durchgestellt wird. Aber zwischen halb vier und neun kann nicht viel passieren.«
Beim Licht meiner Taschenlampe schritt ich vorsichtig bis zum Gartentor. Larrys Wagen stand schon da.
»Wie bist du denn aus dem Hause gekommen, ohne daß Sam dich gehört hat?« flüsterte ich, obgleich jetzt diese Vorsicht nicht mehr nötig war.
»Hatte den Wagen in der Nähe des Tors stehengelassen und Sam gesagt, ich wollte ihn morgens in die
Weitere Kostenlose Bücher