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Frühstückspension: Kriminalroman

Frühstückspension: Kriminalroman

Titel: Frühstückspension: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Hunold-Reime
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Menschen, den es wirklich etwas anging, über den Schwangerschaftsabbruch reden wollte.
    Ich wollte ihm erzählen, wie es war, als ich am Morgen vor der Tagesklinik stand. Mein Magen hatte sich verkrampft, als ich dachte: Hier wirst du sterben, mein Kind. Dich hat es nie gegeben. Ich war traurig. Doch alles Zögern war Lüge. Keine Chance, mein Kind. Die Menschen in der Klinik waren so freundlich. Was hatte ich erwartet? Keine Ahnung. Dann musste ich unterschreiben. Ich las die Einwilligung und mir wurde klar, dass ich gerade einen Totenschein unterschrieb. Mir wurde da erst der ganze Umfang dieser Entscheidung bewusst. Meiner Entscheidung. Und meiner Verantwortung. Ausschließlich meiner.
    Ich bereue es nicht. Das wäre geheuchelt. Ein Kind ist in meinem Leben nicht gut aufgehoben. Aber es hätte mir geholfen, wenn er die Entscheidung ein bisschen mitgetragen hätte. Mehr habe ich nicht gewollt. Aber Torben verweigerte jedes Gespräch. Änderte sogar seine Handynummer und hat im Krankenhaus gekündigt. Er hospitiert jetzt noch einige Zeit in einer Landarztpraxis und dann verschwindet er nach München. Vorhin hat er mich angeschrien, ich soll endlich kapieren: Es ist zu Ende!
    Zu Ende. Er versteht nicht, dass er mir ein anständiges Ende verweigert hat.«
    Maike lacht bitter und kippt ihren Wein wie Wasser hinunter. Ihre Wangen glühen. Vom Alkohol und vom Erzählen. Ich suche nach Worten. Aber es gibt keine. Ich sollte aufstehen und sie einfach in den Arm nehmen. Das traue ich mich nicht. Stattdessen beobachte ich die Bedienung. Sie serviert gerade am Nachbartisch eines dieser Kaffee-Milchschaum-Kunstwerke. Sie muss meinen Blick gespürt haben und dreht sich zu mir herum. Die Ponyfransen fallen ihr bis auf die Nasenspitze. Durch diesen Vorhang sieht sie uns fragend an.
    »Ich möchte noch einen Wein«, verkündet Maike und schiebt ihr leeres Glas demonstrativ in Richtung Tischkante. Ich widerstehe dem Impuls, es festzuhalten. Maike könnte es falsch verstehen und denken, ich halte sie für betrunken. Obwohl sie das mittlerweile ist.
    Ich bestelle mir einen weiteren Milchkaffee. Dabei hätte ich gerne ein Bier genommen und mich ein wenig mit Maike betrunken, aber Tomke verlässt sich auf mich. Ich schiele auf meine Armbanduhr. Sie könnte jeden Augenblick hier auftauchen.
    »War das zu viel für dich?«, höre ich Maike fragen. Anscheinend hat sie meinen Blick gesehen und missverstanden.
    »Nein«, versichere ich eindringlich. »Es hat mich sehr berührt, aber es war nicht zu viel. Ich musste gerade an meine Verabredung denken. Sie müsste jeden Augenblick kommen.«
    »Schade«, bedauert Maike. »Ich würde gerne deine Geschichte noch hören.«
    »Meine Geschichte?«, wiederhole ich abwehrend.
    »Vorher müssen wir überlegen, wie deine zu Ende zu bringen ist. Wie kannst du dich rächen?«, überlege ich, um abzulenken.
    »Rächen hört sich wirklich nach Kleinmädchen-Spielen an«, meint Maike verächtlich.
    »Was meinst du überhaupt mit rächen? Vielleicht sein Auto mit Farbbomben beschmeißen oder seiner Zukünftigen einen anonymen Drohbrief schicken? So billig kommt er mir nicht davon.«
    Ihr Gesicht verdüstert sich, und ihre Vorstellung von Rache macht mir Angst.
    »Ich will, dass er spürt, wie es ist, wenn man mit seiner Unterschrift über Leben oder Tod entscheiden muss. Er soll sich verlassen fühlen. Verlassen und völlig allein.«
    Sie stützt ihr Gesicht auf ihre Hände. Es verschiebt sich eigenartig und erinnert an das eines kleinen Mädchens.
    »Ich weiß nur nicht, wie ich das anstellen soll«, gesteht sie ein und atmet tief durch.
    »Weißt du, ich möchte nicht mehr wütend sein. Ich möchte endlich trauern. Dabei frage ich mich, ob ich ein Recht zum Trauern habe. Ist doch paradox, ein Kind abzutreiben und es hinterher betrauern zu wollen, oder?«
    Ich umschließe mit beiden Händen ihr Gesicht. Es glüht.
    »Nein, es ist nicht paradox«, sage ich mit Nachdruck. »Du hast das Recht zu trauern.«
    Maike lächelt zaghaft und hält die aufsteigenden Tränen zurück.
    So etwas hat mich schon immer viel mehr berührt als ein heftiger Weinkrampf.
    Sie löst meine Hände von ihrem Gesicht und richtet sich auf: »Jetzt erzählst du!«, fordert sie mit gespielter Strenge.
    Ich ziehe hilflos meine Schultern hoch. Wo sollte ich anfangen, ihr meine Geschichte zu erzählen?
    »Teresa«, sagt sie. Es macht mich verlegen, wie sie meinen Namen ausspricht. Und es gefällt mir.
    »Ich habe dir so viel von mir

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