Frühstückspension: Kriminalroman
mir bislang auf keinem Cover begegnet, und ich habe ein gutes Namensgedächtnis«, gehe ich auf ihr Spiel ein.
»Ein gutes Gedächtnis hast du? Fein. Aber hast du schon einmal von einem Pseudonym gehört?«
Bevor ich antworten kann, beginnt in Tomkes Tasche eine arabisch klingende Melodie zu dudeln. Sie holt schnell ihr Handy hervor.
»Moin, Juliane.«
»Tut mir leid, aber heute kann ich Vanessa unmöglich nehmen.«
»Nein, alles klar bei mir. Ich habe auch bald wieder mehr Zeit für euch.«
Am anderen Ende höre ich eine erregte Frauenstimme. Sicher Tomkes Tochter. Ich muss an den weggenommenen Schlüssel und die wütend zugeschlagene Tür denken.
Tomke hört lange zu, dann sagt sie sehr sanft: »Hör mal zu, Juliane.«
Sie wird wieder unterbrochen.
»Nein, jetzt hörst du mir einmal zu«, Tomkes Stimme wird für einen Augenblick schärfer.
»Papa hat sich in letzter Zeit sehr verändert. Es geht ihm nicht gut. Sein Diabetes hat sich verschlechtert. Aber ich habe ihn bislang nicht zum Arzt gekriegt. Du kennst ihn ja.«
Am anderen Ende kommt anscheinend ein Widerspruch.
»Gut, du kennst ihn nicht.«
Nach einer kleinen Pause: »Wenn es dich tröstet, ich auch nicht. Er wird immer schwieriger. Ich sollte euch fernhalten. Er wollte keinen Besuch.«
»Lieb von dir.«
»Ja, dann bis morgen.«
Tomke legt das Handy auf den Tisch und schweigt.
»Haben sie deine Urne geklaut?«, fragt Maike. Sie bekommt wirklich nur noch die Hälfte mit.
Tomke bleibt ernst: »Juliane will morgen vorbeikommen und ein paar Takte mit ihrem Vater reden.«
»Das ist doch lieb von ihr«, tröste ich sie lahm. Dabei ist deutlich, dass der Besuch ihrer Tochter Tomke gar nicht recht ist.
»Ja, total lieb«, meint sie lakonisch. »Aber im Augenblick kann ich sie überhaupt nicht gebrauchen. Sie sollte einfach warten, bis alles geregelt ist. Sie hat sich noch nie eingemischt. Ausgerechnet jetzt muss sie damit anfangen. Wenn sie so weitermacht, war alles umsonst.«
Die Worte brechen regelrecht aus Tomke heraus und ich spüre, dass sie mehr zu erzählen hat.
»Was ist überhaupt los?«, frage ich sie leise.
Tomke sieht mich prüfend mit ihren grünen Augen an: »Das ist eine längere Geschichte.«
Mit einer Kopfbewegung zu Maike: »Und außerdem nicht jugendfrei.«
Sie richtet sich auf und sagt übergangslos forsch: »Ich brauche zum Abschied noch einen Grappa. Du auch?«
Maike nickt und mein mütterlicher Einspruch wird von beiden überhört. Der Schnaps wird serviert und ich ordere sicherheitshalber die Rechnung. Genug ist genug.
Als wir aufstehen, bleibt Maike sitzen. Ich habe es kommen sehen. Sie ist völlig betrunken.
»Nun komm!«, fordert Tomke sie auf. Maike schüttelt den Kopf.
»Ich will nicht nach Hause. Könnt ihr mich mit zu euch nehmen?« Tomke ist mit einem Schlag wieder nüchtern.
»Nee, nee, Mädchen. Geh mal nach Hause. Bei mir ist es zurzeit ungemütlich, und außerdem hat Gerold eine schlechte Phase.«
»Aber du hast doch Teresa auch bei dir wohnen«, widerspricht Maike mit kindlichem Trotz.
»Nur für heute Nacht, bitte, bitte. Ich will nicht allein sein. Nur heute«, bettelt sie. »Ich bin auch ganz leise.« Sie hält sich ihren Finger vor die Lippen und macht: »Pssssssssssst!«
Das erinnert an die alten Dick-und-Doof-Filme. Ich muss gegen meinen Willen lachen.
»Du hast doch Zimmer frei«, versuche ich, Tomke umzustimmen und ernte einen bösen Blick von ihr.
»Du hast Zimmer frei«, echot Maike und gewinnt sofort wieder Oberwasser.
Ich ziehe Tomke am Arm dicht zu mir heran: »Wir sollten sie wirklich so betrunken heute nicht allein lassen. Es geht ihr nicht gut.«
»Mir auch nicht«, knurrt Tomke und resigniert zu Maike: »Ist sowieso egal. Komm mit.«
Wir steuern, Maike links und rechts untergehakt, aus dem Café. Noch im Eingang lässt Maike einen gefährlich lauten Rülpser los. Jeder Seemann wäre stolz darauf gewesen. Eine Frau undefinierbaren Alters mit Betonfrisur, Kasack und Dreiviertelhose wirft Maike einen vernichtenden Blick zu.
Die lehnt ihren Kopf gegen meine Schulter und flüstert kichernd: »Perlonstrumpfhosenträgerin mit Mieder und Krampfadern.«
Maikes Gesichtsfarbe hat ein ungesundes Grau angenommen. Ich lasse die Fenster offen und hoffe, dass sie sich nicht übergeben muss.
»Setz dich gerade hin. Sieh aus dem Fenster und kotz nicht den Wagen voll!«, fordert Tomke sie auf. Es klingt routiniert, als wäre diese Situation für sie völlig normal.
»Die Nächste links
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