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Frühstückspension: Kriminalroman

Frühstückspension: Kriminalroman

Titel: Frühstückspension: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Hunold-Reime
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angefreundet. Ein paar Männerbekanntschaften gab es auch, aber nichts Ernstes.«
    Ich muss wieder an den Mann im Keller denken. Maike weicht meinem Blick aus.
    »Ich weiß nicht mehr genau, wann es angefangen hat, wann die Begeisterung aufgebraucht war. Ich hatte immer mehr das Gefühl, zwischen den Schichten verloren zu gehen. Frühschicht, Spätschicht, Nachtschicht.
    Manchmal, wenn ich vor meinem Spind stand und den Kittel anzog, habe ich mich beobachtet. Jeder Handgriff eine Wiederholung. Kugelschreiber und Schere in den frischen Kittel stecken. Das Haar zusammenbinden. Auf Station gehen und nach sieben Stunden wiederkommen. Immer in Eile. Die unbegründet war, denn es wiederholte sich ständig alles ohne mein Zutun.
    Dann begannen mir die Kollegen, und vor allem die Übergaberituale von Schicht zu Schicht, auf die Nerven zu gehen. Wenn eine Kollegin mit der Patientenkurve auf dem Schoß vom letzten Tubuswechsel am Vormittag erzählte. Dabei genüsslich kleine Schlucke Kaffee trank. Oder mit großem Ernst vom dekubitusfreien Gesäß ihres Patienten berichtete. Wenn Kollegen emotionslos sagten: ›Auch einer von denen, die nicht wieder nach Hause kommen.‹ Wenn sie sich in Fachausdrücken verloren und stolz waren, dass sie die glatt über die Zunge bekommen. Das hat mir mehr und mehr Übelkeit verursacht.
    Dabei war es für mich bis vor kurzem genauso wichtig. Vielleicht bin ich auch neidisch auf ihren Enthusiasmus, den ich verloren habe.
    Anfangs habe ich wie ein trockener Schwamm die vielen Schicksale aufgesaugt. Bis ich komplett voll von ihnen war und begriff, dass sich auch diese Geschichten wiederholten. Nur nicht für die Betroffenen. Das ist das Bittere. Ich fing an, nicht mehr hinzuhören und wusste, ich muss etwas anderes machen. Es wurde Zeit zu gehen. Aber ich hatte keine Ahnung, wohin.«
    Lakonisch fügt sie hinzu: »Dann kam Torben Sievers.«
    Ich ahne, wer das ist.
    »Aber für die Geschichte brauche ich noch ein Glas Wein«, beschließt Maike und winkt wieder der Bedienung zu.
    Ich verkneife es mir zu sagen, dass sie zu schnell und zu viel trinkt.
    Es ist nicht der richtige Zeitpunkt zum Maßregeln. Vielleicht braucht sie einen richtigen Rausch und einen anständigen Kater.
     
    »Wir hatten beide in der Silvesternacht Dienst. Torben Sievers und ich. Er hat schon länger als Arzt im Haus gearbeitet, aber wir hatten nie einen Draht zueinander. Ich fand ihn viel zu gutaussehend, freundlich, glatt. Einfach uninteressant.
    Dann kam Silvester. Ich habe gerne an Feiertagen gearbeitet. Besonders an Weihnachten oder Silvester. Die Atmosphäre an solchen Tagen erinnerte mich an meinen Traum, den ich einmal vom Krankenhausleben hatte. Das Team ist sich näher als gewöhnlich. Es hat was von einer Familie. Die Routine macht Pause, und überall ist eine gute Stimmung, auch wenn viel zu tun ist. Auf jeder Station wird es gemütlicher gemacht. Kuchen gegessen oder aufwendig gefrühstückt. In der Nachtschicht wird überall gekocht.
    Bei uns hat Torben gekocht. Selbstverständlich keinen Kartoffelsalat mit Würstchen oder Raclette, und jeder bringt dafür etwas mit. Nein, indisch. Den Einkauf hat er komplett übernommen. Das passt zu ihm, dachte ich. Yuppie bis ins Detail.
    In der ersten Nachthälfte hatten wir wenig zu tun. Auf Intensiv hast du entweder Totentanz oder den absoluten Stress. Mit dieser Zeitbombe zu leben, geht an die Substanz. Das habe ich auch erst nach Jahren begriffen. Silvester ist es häufig bis Mitternacht ruhig. Die Unfälle kommen erst später.
    Torben schenkte mir an diesem Abend von Anfang an seine Aufmerksamkeit. Vielleicht, weil er bemerkt hatte, dass ich ihn nicht anhimmelte. Ich ließ mich in scheinbarer Überlegenheit darauf ein. Ein gefährliches Spiel. Allen gefällt es, umworben zu werden.
    Ich wurde seine Assistentin und half ihm in der kleinen Teeküche. Es hat Spaß gemacht. Auch seine Handgriffe zu beobachten. Wie er sich zwischen diesen exotischen Gewürzen heimisch fühlte und lässig mit Töpfen und Pfannen hantierte. Mit welcher Hingabe er abschmeckte. Dabei erzählte er mir von seinem letzten Segeltörn. Er war der Smutje und musste die achtköpfige Crew versorgen. In einer winzigen Kombüse. Manchmal Menüs mit mehreren Gängen, erzählte er stolz. Dafür hatte er schon am Nachmittag mit den Vorbereitungen begonnen. Wenn oben eine Wende eingeleitet wurde, hatte er seine Not, die Schüsseln festzuhalten. Beim Erzählen lachte er und hatte etwas von einem kleinen

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