Frühstückspension: Kriminalroman
überrascht mich. So klar habe ich es bislang nicht sehen können.
Es wäre alles so einfach gewesen. Aber so einfach wird mir das Ende nicht gemacht. Mein Mann ist in Hannover oder sonst wo und mit sonst wem und wahrscheinlich kerngesund.
Um Tomke das zu erklären, müsste ich viel zu weit ausholen, und für heute reicht es mit dem Geschichtenerzählen. Maike ist so gut wie betrunken, und Tomke scheint gerade eigene Probleme zu haben. Ich werde es ihr später erzählen. In Ruhe, wenn wir zu Hause sind.
Zu Hause, wiederhole ich staunend. Wie leicht der Gedanke daherkommt. Ich bezeichne einen Ort als Zuhause, wo ich erst zwei Nächte geschlafen habe. Aber es gibt wohl Orte, wo man sich sofort heimisch fühlt. Als hätte man dort schon einmal ein Leben verbracht. Und es gibt Menschen, die man vom ersten Augenblick an in seine Nähe lässt. Als hätten sie immer dazugehört.
Ich betrachte Tomke liebevoll von der Seite. Auch sie trinkt ihren Wein viel zu schnell, als wäre er Mineralwasser. Sie setzt das leere Glas ab und lehnt sich entspannt nach hinten.
»Das habe ich jetzt gebraucht.«
»Hattest du Ärger?«, frage ich sie vorsichtig. Immerhin hat sie auf einige meiner Fragen schon mächtig überreagiert.
»Was heißt Ärger?«, fragt sie müde zurück und ordert winkend die nächsten zwei Weine. Ich verkneife es mir einzuwerfen, dass Maike längst genug getrunken hat.
»Um es auf den Punkt zu bringen: Ich hatte auch eine richtige Scheißzeit. Was heißt hatte? Ihr Ende ist nicht in Sicht.«
Sie macht eine Pause und starrt auf ihre Hände. Dann sieht sie mich unvermittelt an: »Wusstest du, dass sich in unserem ordentlichen Land sogar ein Häufchen Asche ausweisen muss?«
Maike hatte sich an ihrem Glasrand festgenuckelt und prustet nun in ihr Glas. So heftig, dass ihr Gesicht mit Wein übersprüht ist.
»Wie bist du denn drauf?«, fragt sie und reibt sich mit beiden Händen ihr Gesicht trocken.
»Bestens«, antwortet Tomke trocken. »Nachdem ich in einem seriösen Bestattungsinstitut auf meine Frage, wie eine Seebestattung abläuft, behandelt wurde, als wäre ich reif für die Geschlossene.«
Ich sehe sie unsicher an und weiß nicht, ob ich lachen oder mir Sorgen machen soll. Was soll das jetzt wieder?
Dann erinnere ich mich, dass ich sie vor einem Bestattungsunternehmen abgesetzt hatte.
»Aber Seebestattungen sind doch nichts Ungewöhnliches«, lallt Maike und stützt zur Abwechslung ihr Kinn auf den Glasrand.
»Dachte ich auch«, meint Tomke.
Sie nimmt das nächste Glas Wein und schiebt das andere zu Maike.
»Und?«, hake ich nach.
Tomke richtet ihren riesigen, korrekt sitzenden Kragen und zuckt mit einer Schulter.
»Nun ja, sie waren irritiert, dass ich die Urne zur Seebestattung mitbringen wollte.«
»Aber in einer Urne ist die Asche von einer verbrannten Leiche«, doziert Maike altklug und bekommt einen Lachkrampf. »Musste dein Mann endlich dran glauben?«
Tomke wirft ihr einen finsteren Blick zu.
»Genauso ist es. Und nun möchte ich ihn gern würdig bestatten. Was ist daran so witzig?«
Maike gibt sich Mühe, ihr Lachen zu unterdrücken und sieht Tomke mit einem verklärten Blick an.
»Ach Tomke, ich hätte einfach weiter zum Bauchtanz kommen sollen. Dein Humor hat mir gefehlt.«
Ich kann absolut nicht über Tomkes Äußerungen lachen.
»Was wolltest du im Bestattungsinstitut?«, frage ich eine Spur zu streng.
»Ich recherchiere für einen Krimi«, grinst sie und stößt mit Maike an. Die beiden kichern albern. Mir fehlt die nötige Leichtigkeit, mit einzustimmen. Wahrscheinlich auch der nötige Alkoholpegel. Und in mir nagt der lästige Verdacht, dass Tomke wirklich die Reste ihres Mannes in einer Urne durch das Haus trägt. Vielleicht reagiert sie deshalb so empfindlich auf Nachfragen? Aber warum sollte sie das tun? Sie macht ganz und gar nicht den Eindruck einer Psychopathin. Außerdem habe ich ihren Mann vor dem Fernseher gesehen, beruhige ich mich. Was für ein verrückter Gedanke, Tomke könnte von ihrem Gatten ein Feuerchen gemacht haben. Ich muss über meine abgründige Fantasie selbst lachen.
»Du traust mir wohl nicht zu, dass ich Krimis schreibe?«, fragt Tomke und sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
Ich lächele unsicher. Sollte sie wirklich? Nein, sie hat recht, ich kann es mir nicht vorstellen.
»Ich weiß nicht«, gebe ich zu. »Ich habe noch nie eine Krimiautorin kennen gelernt.«
»Siehst du«, nickt Tomke zufrieden.
»Aber eine Tomke Heinrich ist
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