Frühstückspension: Kriminalroman
verspreche ich dir.«
Er hat die Statur von Gerold. Es wird alles gut gehen. Das verspreche ich dir. Die Worte klingen in mir nach, und sofort rebelliert mein Magen wieder. Ich hatte beim Zuhören fast vergessen, dass nebenan Reinhards Leiche liegt. Wie sieht er wohl inzwischen aus? Wie schnell verändern Tote ihr Aussehen? Denk nicht drüber nach, Teresa, sonst kannst du gleich wieder zum Klo rennen. Ich sehe zur Uhr.
Es ist mittlerweile halb 3.
»Willst du nicht endlich den Arzt anrufen? Ich würde es gerne hinter mich bringen«, sage ich und Tomke nickt.
Sie steht auf und geht zum Telefon. Ich versuche, mich zu beruhigen: Der Arzt kennt Gerold nicht. Was kann schon passieren? Dass er sich über die Verletzungen wundert und ›unklare Todesursache‹ ankreuzt! Das kann passieren! Dann wird er obduziert, und sie werden feststellen, dass er nie Diabetes hatte. Was dann? Gerade die jungen Ärzte sind sicher ehrgeizig und sehen sich Leichen wahrscheinlich noch gewissenhafter an. Ich muss an Reinhards Kopfverletzungen denken. Die bekommt man nicht von ein paar Stößen gegen Garagenwände. Ein Fachmann wird das sofort erkennen. Da bin ich mir sicher. Bevor ich weiter überlegen kann, wie so eine Leichenschau wohl vonstattengeht, kommt Tomke in die Küche zurück. Sie sieht erschreckend blass aus.
»Mein Hausarzt ist wieder zurück«, sagt sie tonlos und lässt sich auf ihren Stuhl fallen.
»Ist das nicht paradox? Vor einer Woche hätte ich ihn gebraucht und nicht heute Nacht. Das war so ein guter Plan. Nun ist wieder alles anders. Was sollen wir denn jetzt machen?«
Sie sieht mich an. In ihren Augen steht so viel Verzweiflung, dass ich schlagartig ruhig werde. Keine Chance, jetzt auch noch in Panik zu verfallen.
»Woher weißt du das überhaupt? Hast du mit ihm gesprochen?«, frage ich sie so ruhig wie möglich.
Tomke schüttelt den Kopf und sagt nur: »Anrufbeantworter.«
»Dann müssen wir eben einen anderen Arzt rufen. Gibt es nicht noch einen in der Nähe, der Gerold nicht kennt?«
»Natürlich gibt es noch andere Ärzte. Aber wie sollen wir einem aus dem Nachbarort klarmachen, dass wir um diese Uhrzeit ihn und nicht meinen Hausarzt angerufen haben, der gleich um die Ecke wohnt?«
Tomkes Stimme bebt. Sie unterdrückt mit Mühe einen Heulkrampf. Ich gehe um den Tisch und lege meine Hände auf ihre Schultern.
»Tomke, wir müssen jetzt ruhig bleiben«, sage ich eindringlich und massiere mit leichtem Druck ihren Nacken.
»Wir schaffen das schon«, bete ich ihr vor und habe keine Ahnung wie.
»Wo hast du die ›Gelben Seiten‹ liegen? Du hast doch welche?«, frage ich in einem betont geschäftsmäßigen Ton.
Tomke umspannt meine Hände und sagt: »Wir können keinen anderen Arzt anrufen. Das geht mit Sicherheit schief.«
»Nicht, wenn Ihr den Richtigen anruft!«
13
Tomke und ich fahren zusammen. In der Tür steht Maike.
Blass, mit dicken Augenrändern, aber anscheinend wieder nüchtern.
»Maike!«, rufe ich entsetzt, als sähe ich ein Gespenst. Ihre Anwesenheit hatte ich auch vollkommen vergessen.
»Maike, es tut mir leid, aber …«, versuche ich hilflos, die verfahrene Situation zu erklären. »Tomke und ich, … wir müssen hier etwas allein regeln.«
»Regt euch nicht auf«, winkt Maike ab. »Ich habe schon genug mitangehört. Ihr wart ganz schön laut.«
Tomke und ich wechseln einen betroffenen Blick. Bevor wir etwas entgegnen können, fragt Maike: »Habt ihr ein Aspirin?«
Tomke steht stillschweigend auf und holt eins aus dem Schrank. Mechanisch wirft sie die Tablette in ein Glas Wasser und stellt es auf den Tisch. Dann holt sie einen dritten Stuhl in die Küche.
»Maike, es tut mir so leid«, setze ich noch einmal an. »Aber das hier ist unsere Angelegenheit, und da wollen wir dich auf keinen Fall mit hineinziehen. Es wäre gut, wenn du alles einfach wieder vergessen würdest.«
Während ich das sage, weiß ich, das ist ein frommer Wunsch. Sie hat nicht irgendeinen Tratsch mitangehört. Hier geht es um Mord. Um zweifachen Mord. Sie wird ihr Aspirin wirken lassen und dann zur nächsten Polizeiwache gehen. Ich kann es ihr nicht verdenken. Maike antwortet nicht. Sie trinkt gierig das Aspirin und schenkt sich noch einmal Wasser nach. Dann sagt sie endlich: »Ihr irrt euch. Das hier ist auch meine Sache.«
»Wie kann das deine Sache sein?«, frage ich heftig.
»Wir haben unsere Männer umgebracht!«
Bei den letzten Worten zucke ich zusammen. Unsere Männer umgebracht.
Wie
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