Frühstückspension: Kriminalroman
uns. Bis vor ungefähr drei Jahren. Da fing Gerold an, sich massiv zu verändern. Unser Hausarzt meinte, das käme von seinem Diabetes. Dazu trank er auch immer mehr. Dann fing er an, mich zu erpressen und zu demütigen. Es hat ihm Freude bereitet, meine Angst zu spüren. Das hat ihm das Gefühl von Macht über mich gegeben. Das war ein neuer Zug an ihm, und ich hatte wirklich Angst. Ich hatte ihm dummerweise in einer vertrauten Phase den Vater meiner Kinder preisgegeben: Thomas.
Meine Kinder hatten nie ein sehr inniges Verhältnis zu Gerold. Er ist für sie ihr Vater und gut. Ein Vater, der wenig Zeit für sie hatte. Aber eben ein Vater. Das ist nichts Ungewöhnliches. Die meisten Frauen in meiner Umgebung haben die Kinder trotz Ehe allein großgezogen. Aber die Wahrheit würde meine Kinder schockieren und verletzen. Ihre Welt würde ins Wanken geraten. Genau wie die von Thomas und seiner Familie. Er hat drei Kinder. Wie sollten wir rechtfertigen, dass wir miteinander geschlafen haben. In aller Freundschaft!«
Sie lacht traurig auf.
»Die Wahrheit würde uns kein Mensch glauben. Für Heike würde auch eine Welt zusammenbrechen.
Gerold trieb es immer weiter auf die Spitze. An einem Morgen habe ich Notizen von ihm entdeckt. Es sollte ein Brief an unsere Kinder werden. Er fing an, völlig durchzudrehen und war nicht mehr berechenbar. Ich musste handeln. Aber wie? Dann hatte ich die Idee mit dem Insulin. Zuckerschock. Klassisch. Und nicht verwunderlich. Gerold hielt sich nicht an seine Diät, und er trank zu viel. Unser Hausarzt hatte ihm schon mehrmals deswegen den Marsch geblasen.
Er würde seinen Tod durch Unterzuckerung anstandslos akzeptieren! Ich glaubte, das wäre ein leichter Tod für Gerold. Ich wollte ihn nicht quälen. Aber von wegen.
Er war vor dem Fernseher eingeschlafen. Er hat nicht gemerkt, dass ich ihm die Spritze gegeben habe. Ich habe mich neben ihn gesetzt und gehofft, er würde einfach so vom Schlaf in den Tod dämmern. Aber er wachte auf. Schweißgebadet. Er bekam schlecht Luft und sah mich an, als wollte er um Hilfe schreien. Er bekam nur ein Röcheln heraus. Wie er mich angesehen hat. Es war grauenhaft. Er hat gewusst, was ich getan habe. Da bin ich sicher.
Dann begann er, am ganzen Körper zu krampfen. Als hätte er keine Knochen im Leib. Seine Arme und Beine schlugen gegen die Möbel und er hat mich immer wieder angesehen. Ich habe tatenlos danebengestanden und geheult. So einen schrecklichen Tod habe ich ihm nicht gewünscht. Aber es gab kein Zurück mehr. Ich konnte nur warten, bis es vorbei war. Ich weiß nicht mehr, wie lange es gedauert hat, bis er tot war. Gefühlt war es eine Ewigkeit.
Trotz seiner Verletzungen habe ich unseren Hausarzt angerufen. Ich kenne ihn seit meiner Kindheit. Es wäre kein Problem gewesen. Er hätte den Totenschein ausgefüllt. Er kannte Gerolds Exzesse. Aber er war nicht in seiner Praxis, sondern eine Vertretung. Ich habe aufgelegt und hatte nur noch Angst. Gerold musste aus dem Haus. So schnell wie möglich. Aber wohin?
Ich habe ihn mit der Schubkarre ins Auto geschleppt und bin blindlings losgefahren. Dabei habe ich geheult und gedacht: Jetzt ist alles vorbei. Dann war da die Baustelle in der Nähe der Stumpenser Mühle. Ich habe angehalten und die Grube mit frischer Erde gesehen. Ohne nachzudenken, habe ich ihn da vergraben. Werkzeug hatte Gerold immer im Wagen. Ich weiß nicht mehr, wie ich das gemacht habe.
Wieder zu Hause, habe ich das Zimmer sauber gemacht und den Teddy in den Sessel gesetzt. Erst am nächsten Morgen begriff ich, was ich getan hatte. Und wie kurzsichtig ich gehandelt hatte. Vielleicht hatten sie ihn längst gefunden? Vielleicht standen gleich Beamte von der Kriminalpolizei bei mir vor der Tür!
Am Nachmittag habe ich es nicht mehr ausgehalten und bin wieder rausgefahren. Da war die Grube schon frisch asphaltiert und die Baustelle abgebaut. Sie hatten ihn also nicht entdeckt. Für einen kurzen Augenblick war ich erleichtert. Dann kam die Ernüchterung zurück und die Panik. Gerold war nicht offiziell tot, er war nur verschwunden. Wie sollte ich das erklären?
Darauf hatte ich eine Woche lang keine Antwort. Dann kamst du, und ich habe dir das Zimmer vermietet. Frag mich nicht warum. Nun liegt wieder eine Leiche nebenan im Fernsehzimmer. Und sie hat die Statur von Gerold.
Verstehst du jetzt? Dieses Mal wollte ich mir Zeit lassen, nicht noch einmal einen Fehler machen, nur weil ich in Panik geraten bin. Es wird gut gehen, das
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