Frühstückspension: Kriminalroman
brutal sich das anhört. Was muss Maike von uns denken? Wie viel hat sie überhaupt nebenan von unserem Gespräch mitbekommen? Weiß sie überhaupt, dass es hier um Mord geht? Ich sollte lieber den Mund halten und ihr nicht noch mehr erzählen.
Maike setzt sich und sieht mich lange an, als müsse sie die Tatsachen noch einmal überdenken. Ich versuche, ihrem Blick nicht auszuweichen. Das fällt mir schwer.
»Was ihr da getan habt«, sagt sie leise, »das will ich gar nicht so genau wissen. Ich habe nur verstanden, dass ihr für die Leiche nebenan einen Totenschein braucht. Ich habe dir doch von Torben erzählt.«
Ich nicke irritiert.
»Der macht gerade Vertretung in einer Praxis in Hooksiel.«
Torben Sievers, denke ich. Der Mann, der sie so verletzt hat, arbeitet in einer Hausarztpraxis. Ich beginne zu ahnen, was Maike vorhat und schüttele entschieden den Kopf: »Wir werden dich da auf keinen Fall mit hineinziehen.«
Maike fährt sich durchs Haar und setzt sich gerade hin.
»Ach nein? Aber ich bin schon mittendrin. Außerdem habe ich einen Blick auf eure Leiche nebenan geworfen. Für die unterschreibt euch niemand einen Totenschein, das kann ich euch versprechen. Ihr seid ganz schön naiv. Auch wenn der zuständige Arzt blind wäre, er würde euch fragen, warum ihr den blutüberströmten Mann nicht an Ort und Stelle gelassen habt. Immerhin ist er schon ein paar Stunden tot. Er wird fragen, warum ihr ihm noch einen Verband verpasst und ihn vorher gewaschen habt. Dann wird er die Polizei benachrichtigen. Das ist sicher.«
Maike macht eine Pause und schenkt sich das nächste Glas Wasser ein. »Aber Torben wird unterschreiben«, sagt sie fast feierlich. »Dafür werde ich sorgen. Er ist mir noch eine Unterschrift schuldig.«
»Ich verstehe überhaupt nichts mehr«, mischt sich Tomke ein. Aber es klingt so müde, als würde sie auch keinen großen Wert darauf legen, überhaupt noch irgendetwas zu verstehen. Anscheinend hat sie sich immer noch nicht von dem Schock erholt, dass ihr Hausarzt wieder da ist.
»Ich erkläre es dir später«, sagt Maike, und Tomke gibt sich ganz gegen ihre Art damit zufrieden.
»Vorher muss ich noch was anderes als Wasser trinken«, wendet sich Maike an mich. Sie scheint Tomkes Niedergeschlagenheit auch zu spüren und lässt sie in Ruhe.
»Willst du Kaffee oder Tee?«
»Kaffee. Schwarz, und wenn möglich, ein Stück Brot. Nur trocken, ohne alles.«
Ich stehe auf, hole Maike eine Tasse und schiebe ihr die Kaffeekanne rüber. Ohne Tomke zu fragen, nehme ich aus dem Brotkasten eine Scheibe Brot und setze mich wieder.
Wir sprechen kein Wort, während Maike langsam ihren Kaffee trinkt, das Brot zerbröselt und isst. Ich würde alles für eine andere Lösung geben.
Aber mir fällt absolut keine ein. Unsere einzige Chance ist dieser Torben Sievers. Ich erinnere mich an sein wütendes Gesicht und bezweifle, dass Maike so viel Macht über ihn hat, wie sie glaubt. Aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, meine Zweifel zu äußern.
»In Ordnung, Maike. Probier es. Aber das hier ist kein Kavaliersdelikt«, gebe ich noch einmal zu bedenken.
»Ich weiß«, antwortet Maike ruhig und holt das Telefon in die Küche. Sie stellt es auf Mithören. Das scheint ihr wichtig zu sein.
»Dr. Sievers, Praxis Dr. Hansen«, meldet er sich nach dem dritten Klingeln. Bemerkenswert für diese Uhrzeit.
»Hier ist Maike.« Ihre Stimme klingt ein wenig heiser, aber sonst ganz ruhig.
Für einen Augenblick ist Stille in der Leitung. Dann sagt er mit mühsam unterdrückter Wut: »Du schreckst anscheinend vor gar nichts zurück«, und legt auf.
»Ist es nicht besser, wenn ich anrufe?«, fragt Tomke. Ihre Stimme hat wieder Energie. Erleichtert atme ich durch. Sie hat mir gefehlt, und ich hätte den Arzttermin ungern allein mit Maike durchgezogen.
»Wahrscheinlich«, gibt die zögernd zu. »Aber er wird die Nummer wiedererkennen.«
»Nein«, sagt Tomke. »Die Nummer ist unterdrückt. Ich rufe ihn jetzt an. Wenn er aus Hooksiel nicht herkommen will, kannst du immer noch eingreifen.«
Tomke wählt seine Nummer, und Sievers meldet sich sofort. Wieder mit seiner professionell freundlichen Stimme. Dabei musste er damit rechnen, noch einmal Maike am Apparat zu haben. Der Mann hat sich durch und durch im Griff. Das bestätigt nur meine Zweifel, dass er sich auf eine illegale Handlung einlassen wird.
»Tomke Heinrich. Ich rufe an, weil …«
Sie stockt für einen Augenblick und Maike und ich halten den Atem
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