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Fuchserde

Fuchserde

Titel: Fuchserde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Sautner
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vereint, und so war manches Wild durch Lois’ Hand zu Nahrung für seine Familie geworden. Manchmal waren es auch Eichkätzchen oder Vögel gewesen, die Lois und Heinzi durch gezielte Schüsse mit ihren Steinschleudern von den Bäumen geholt hatten.
    Lois und Peter legten am nahen Bach zwei Fischotterfallen aus und im Unterholz einige Reh-Schlingen. Dann gingen sie beim Teichufer in die Knie und lehnten sich mit den Rücken an zwei nahe beieinander stehende Fichten. Ihr Blick ging in die Richtung, aus der sanfter Wind über den Waldboden strich.
     
    »Du wirst bald Vater werden. Weißt du das?«, sagte Lois unvermittelt.
    Peter sah zu Lois. Doch der ließ seinen Blick weiter langsam über die Lichtung schweifen.
    »Blödsinn«, sagte Peter dann. »Das hätte mir Maria doch erzählt.«
    »Maria weiß es selbst noch nicht«, sagte Lois und sein Blick tastete weiter den Wald ab. »Aber sie wird es bald bemerken und es dir dann anvertrauen«, fuhr Lois fort. »Wenn sie es dir sagt, erzähle nicht, dass ich es dir schon angekündigt habe. Ich tue es auch nur, weil es notwendig ist. Weißt du warum?«
    »Nein«, sagte Peter, dem die Situation unheimlich zu werden begann. Es irritierte ihn, dass Lois ihn keines Blickes würdigte.
    »Ich sage es dir deshalb«, sprach Lois mit ruhiger Stimme, »weil Frida von eurem Kind geträumt hat, das noch nicht von dieser Welt ist, das durch seine Mutter Maria, deine Frau, aber schon jetzt die Luft dieser Erde atmet und das durch sie schon jetzt die wärmenden Strahlen der Sonne in sich aufnimmt. Euer Kind lebt bereits. Es empfängt bereits eure Energie. Verstehst du nun, warum ich dir von der Ankunft deines Kindes erzählen musste?«
    »Ja«, sagte Peter etwas bockig. »Ich verstehe dich. Ich werde Maria stets gut behandeln und sie beschützen. Ich werde gut zu meiner Frau, deiner Tochter, sein.«
    »Das weiß ich«, antwortete Lois und nun sah er Peter ins Gesicht. »Ich weiß, dass du ihr ein guter Mann sein willst. Und ich vertraue dir und kenne dich, seit ich dich und deinen Vater zum ersten Mal getroffen habe. Doch darum geht es mir nicht. Ich habe dich auch nicht gefragt, ob du mich verstehst. Ich habe dich gefragt, ob du verstehst.«
    Peter machte ein dummes Gesicht.
    »Peter«, begann Lois. »In dir wächst der Hass. Jeden Tag gibst du ihm mehr von dir. Und dich selbst verlierst du zusehends. Wenn du dir dessen nicht gewahr bist, wird der Tag kommen, da wirst du ein anderer sein und es nicht merken. Du bist nicht nur der Mann meiner Tochter, Peter. Du bist auch bald der Vater deines Kindes. Du hast nicht mehr das Recht, dich deinem Hass hinzugeben. Und es reicht auch nicht, dass du gut zu deiner Frau bist, doch im Innersten kalt und voller Hass. Nimm sehr ernst, was ich dir jetzt sage, mein Sohn: Euer Kind wird die Last eures geheimsten Ich tragen und es wird nur erblühen können, wenn ihr selbst erblüht.«
    Peter beugte seinen Kopf. Nun war er es, der den anderen nicht ansah. Er blickte zu Boden und nickte.
    »Ja, aber«, sagte er dann, scheinbar mit sich selbst ringend, »wie kann ich vergessen, dass die Nazis alle umgebracht haben, wie kann ich vergeben, dass sie meine ganze Familie ausgerottet haben, es muss doch Gerechtigkeit geben auf dieser Welt.«
    »Es gibt Gerechtigkeit«, sagte Lois. »Aber es liegt nicht an dir, sie herbeizuführen. Du tust gut daran, wenn du deine begrenzten Kräfte nicht an andere verschwendest. Reagiere dich nicht bei Fremden ab, verwende deine Zeit lieber, um dich in anderen zu suchen.«
    »Aber Lois«, sagte Peter, »Vater«, setzte er nach, denn er wollte Lois seinen tiefen Respekt und seine Liebe zeigen, »wenn nicht ich für Gerechtigkeit sorge, wird es keiner machen.«
    Lois lächelte.
    »Peter«, sagte er. »Glaubst du tatsächlich, dass du groß genug bist, der Menschheit Gerechtigkeit zu geben? Gerechtigkeit ist allumfassend, allmächtig und ewig. Denn Gerechtigkeit ist göttlich. Und nun willst du mir sagen, dass du genug Größe hast und so unendlich weise bist, um über Gerechtigkeit zu entscheiden?«
    »Nein, natürlich nicht«, sagte Peter.
    Lois sprach weiter: »Du und ich und unsere Familien, wir haben viel, sehr viel durchgemacht. Uns wurde Schreckliches angetan. Wir verdienen es nicht, uns durch unseren Hass nun auch noch selbst zu schaden. Verstehst du? Es genügt auch nicht, all das Schlechte, das durch Schmerz und Leid in uns gewachsen ist, abzutöten. Wir müssen etwas Lebendiges, etwas Positives an seine Stelle setzen.

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