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Fuchserde

Fuchserde

Titel: Fuchserde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Sautner
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verborgenen Schmerz, indem ich Peter erzählte, was mit unseren beiden ältesten Kindern, Fridas Vater und ihren Geschwistern geschehen war. Ich berichtete ihm, dass die Nazis alle abgeholt hatten, dass sie fortgebracht und weit weg in irgendwelche Lager gesteckt worden waren, dass unsere Hütten durch Feuer dem Erdboden gleichgemacht worden waren, als brennendes Zeichen, dass wir nie wieder zurückkommen sollten. Und dann erzählte ich ihm das Allerschlimmste: Ich erzählte Peter, dass wir nichts, aber auch gar nichts wussten vom Schicksal unserer Lieben, dass aber die Ahnung schwer und drückend auf unseren Herzen lag wie die Last nasskalten Schnees auf zitternden Zweigen.
     
    Lange sprachen wir nichts, schauten nur ins Feuer und hörten unseren Gedanken zu. Das Feuer knisterte und züngelte immer wieder bis an unsere Decke aus Granit. Und weil Peter ein echter Jenischer war, unterbrach er schließlich die Stille indem er die Arme vor der Brust verschränkte und kopfnickend sagte: »Bei meiner Flucht hätten sie mir übrigens beinahe in meinen schönen Hintern geschossen.« Als er in die Runde sah, um die Wirkung seiner Worte zu sehen, blickte er in dankbare, schmunzelnde Gesichter, und Maria, die neben ihm saß, ließ sich auffordernd mit ihrer Schulter an seine Seite fallen.
    »Aber Gott sei Dank«, fuhr Peter nun fort, »Gott sei Dank haben sie mir nur ins Bein und in den Arm geschossen.« Peter erzählte uns alle Details seiner Flucht und schließlich hielt er inne, um dann nachdenklich zu sagen: »Gerettet hat mich die Fuchserde. Wenn ich sie nicht gefunden hätte, wäre ich zu Nahrung für den Wald geworden. Ohne sie säße ich jetzt nicht bei euch.«
    Du kennst das Geheimnis der Fuchserde, mein kleiner, schlauer Fuchs. Oft schon hat sie unsere Wunden gereinigt und geheilt. Und Fuchserde war es auch, die Peter im Leben gehalten hat und damit, mein kleiner Fuchs, damit hat sie auch die Zukunft unserer Sippe gesichert. Denn in einer jener Nächte, die Peter gemeinsam mit seiner Maria in der Restlinggrube verbracht hat, da wurde Peter zu deinem Großvater. In einer dieser Nächte, mein kleiner Fuchs, da wurde dein Vater gezeugt.

13.
    Als es einnachtete in der Restlinggrube und der Nadelwald ringsum im Dunkeln seine Ruhe fand, fiel Peter in den Schlaf. Maria, die seinen Kopf im Schoß hielt, hatte gemerkt, wie sein Atem langsamer und schwerer geworden war. Lois aber sprach noch weiter in die Nacht. Er erzählte, was vorgefallen war seit der Trennung der beiden jenischen Familien letzten Sommer, er berichtete vom Abtransport ihrer Verwandten, schilderte die Flucht vor den Nazis durch das Erdloch unter der Hütte und erklärte, wie sie hier im Wald bisher überlebt hatten. Erst als Peter allzulange keine Fragen mehr stellte und auch kein zustimmendes Brummen mehr zu hören war, bemerkte Lois, dass sein neuer Sohn längst schlief. Er war ausgelaugt und erschöpft von seiner Flucht. Diese Nacht konnte er zum ersten Mal seit Wochen ohne Furcht die Augen schließen.
     
    Die folgenden Wochen wurde Peter besonders von Maria umsorgt. Sie gab ihm zu essen, sammelte zu seiner Stärkung Kräuter, Wurzeln und Flechten im Wald und wärmte ihn mit ihrer Liebe. In dem Ausmaß, in dem sich Peter erholte und Angst und Hast der langen Flucht aus ihm wichen, wuchs in ihm der Zorn. Immer öfter verfluchte er die Nazis, schwor im Namen seiner toten Verwandten ewige Rache und sein Blick veränderte sich.
    Frida bemerkte als Erste, dass der Hass begonnen hatte, Peters Seele in Besitz zu nehmen. Eines Nachts war es, da träumte Frida von einem Wolf und einer Füchsin, die gemeinsam ein Junges zur Welt brachten. Gleich nach der Niederkunft der Füchsin stürzte sich der Wolf auf das Junge und verschlang es in blinder Gier nach warmem Blut.
    Am Morgen darauf nahm Frida ihren Mann beiseite und erzählte ihm ihren Traum. Lois nickte.
    »Ich werde mit ihm reden«, sagte er.
    »Gut«, sagte Frida.
     
    An einem der nächsten Tage nahm Lois nicht Heinzi, sondern zum ersten Mal seit seiner Ankunft Peter mit auf die Jagd.
    »Komm Peter«, sagte er zu ihm, »wir besorgen Nahrung. Heinzi, passt du auf die Frauen auf?«
    »Ja, Papa«, antwortete Heinzi. Er wusste genau, was sein Vater vorhatte.
     
    Lois und Peter verabschiedeten sich, und wenige Schritte später waren die beiden Männerrücken im dichten Wald verschwunden. Lois führte Peter in die Nähe des Teiches. Hier hatte sich schon oft das Glück mit Jagdkunst und Lois’ Instinkt

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