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Fuchsjagd

Titel: Fuchsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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den Mund«, sagte er immer nur, »sonst kriegst du von mir eine aufs Maul… Oder willst du vielleicht, dass wir das Dach über dem Kopf verlieren?«
    Aller Verstand war längst dahin, und geblieben war nichts als leichenbitterer Groll. Sie begriff nicht, dass sie und Bob für ihr Haus nichts zu bezahlen brauchten, weil Mrs. Lockyer-Fox ihnen ein Nutzrecht auf Lebenszeit zugesagt hatte. Sie begriff nur, dass der Colonel sie dafür bezahlte, dass sie bei ihm putzte, und sie hatte nur eines im Kopf, ihren Mann nicht an dieses Geld heranzulassen. Bob war ein Grobian und ein Tyrann, und sie hortete ihren Lohn in vergessenen Verstecken. Sie hatte eine Schwäche für Geheimnisse, das war immer schon so gewesen, und in Shenstead Manor gab es davon mehr als in den meisten anderen Häusern. Sie putzte seit vierzig Jahren bei den Lockyer-Fox', und vierzig Jahre lang hatten die sie mit Bobs Unterstützung nur ausgenützt.
    Ein klinischer Psychologe hätte konstatiert, dass der Altersschwachsinn die frustrierte Persönlichkeit freigesetzt hatte, die sie unterdrückt hatte, seit sie mit zwanzig in dem Bestreben, etwas Besseres aus sich zu machen, geheiratet und den falschen Mann gewählt hatte. Bobs Ambitionen waren mit kostenloser Unterkunft in einem Arbeiterhäuschen als Gegenleistung für schlecht bezahlte Garten- und Reinigungsarbeiten in Shenstead Manor befriedigt gewesen. Vera hatte höhere Ziele gehabt: ein eigenes Haus, eine Familie, die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, für wen sie arbeitete.
    Die wenigen Nachbarn, die sie einmal gehabt hatten, waren längst weggezogen, und die neuen mieden sie, da sie mit ihren fixen Ideen nichts anfangen konnten. Bob war zwar menschenscheu und wenig redselig, aber er hatte wenigstens seine fünf Sinne noch beisammen. Im Beisein anderer ertrug er ihre Angriffe mit einer Engelsgeduld; was er im stillen Kämmerlein tat, war seine Sache, aber wenn man sah, wie Vera jedes Mal nach ihm schlug, wenn er es wagte, ihr zu widersprechen, konnte man annehmen, dass körperliche Gewalt beiden nicht fremd war. Dennoch hatten die Leute mehr Mitleid mit Bob. Man konnte es ihm nicht verübeln, dass er seine Frau zur Arbeit ins Herrenhaus abschob. Eine Frau wie Vera den ganzen Tag um sich herum haben – da würde jeder die Wände hochgehen.
    Bob bemerkte ihr Zaudern, als sie zum Herrenhaus hinüberschaute. Manchmal redete sie davon, Mrs. Lockyer-Fox auf der Terrasse gesehen zu haben – ausgesperrt in eiskalter Nacht und mit fast nichts bekleidet dem Kältetod überlassen. Vera wusste, was Kälte war. Ihr war immerzu kalt, und sie war zehn Jahre jünger als Mrs. Lockyer-Fox.
    Bob drohte ihr Schläge an, falls sie diesen Quatsch von der abgesperrten Tür herumerzählen sollte, aber das hielt sie nicht von ihrem Geschimpfe ab. Ihre Wertschätzung für Ailsa Lockyer-Fox war seit deren Tod ins Unendliche gewachsen, jegliches Ressentiment untergegangen in der rührseligen Erinnerung an die zahlreichen Freundlichkeiten, die Ailsa ihr erwiesen hatte. Ailsa hätte eine arme alte Frau niemals ewig weiterarbeiten lassen. Sie hätte klipp und klar gesagt, dass Vera sich endlich ein wenig Ruhe gönnen dürfte.
    Die Polizei hatte ihren Worten natürlich keine Beachtung geschenkt – jedenfalls nicht mehr, nachdem Bob sich mit dem Finger an die Stirn getippt und ihnen erklärt hatte, dass sie nicht ganz dicht sei. Sie hatten höflich gelächelt und gesagt, jeder Verdacht gegen den Colonel in Bezug auf den Tod seiner Frau sei unbegründet. Obwohl er allein im Haus gewesen war – und die Terrassentür nur von innen abgesperrt und verriegelt werden konnte. Veras Gefühl, dass hier Unrecht geschah, blieb, aber Bob beschimpfte sie heftig, wenn sie darüber ein Wort verlor.
    Schlafende Hunde sollte man nicht wecken. Oder glaubte sie vielleicht, der Colonel würde sich ihre Beschuldigungen tatenlos gefallen lassen? Glaubte sie vielleicht, er würde nichts von ihren Diebstählen sagen, nicht erwähnen, wie zornig er über das Verschwinden der Ringe seiner Mutter gewesen war? Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht, warnte er sie.
    Bisweilen, wenn sie ihn aus den Augenwinkeln verstohlen ansah, fragte sich Bob, ob sie nicht klarer bei Verstand war, als sie zu sein vorgab. Die Vorstellung beunruhigte ihn. Es bedeutete, dass sie etwas im Schilde führte, worauf er keinen Einfluss hatte.

    Vera öffnete die Pforte zu dem im toskanischen Stil angelegten Garten, der einst Mrs. Lockyer-Fox gehört hatte, und eilte an den

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