Fuchsjagd
den Lockyer-Fox' und ihren Pächtern die eingerissenen Gatter angelastet, weil außer seinem nur ihr Grund an das Niemandsland grenzte, aber es zeigte sich bald, dass niemand in Shenstead Lust hatte, tatenlos zuzusehen, wie so ein dahergelaufener Zugereister für den Preis von ein paar billigen Holzpfählen den Wert seines Landes ganz erheblich steigerte.
Es war bekannt, dass man auf brachliegendes Land erst nach zwölf Jahren ununterbrochener Nutzung einen Rechtsanspruch hatte, und selbst die Wochenendausflügler waren nicht gewillt, ihr Hundeausführgelände so leicht aufzugeben. Mit einer Baugenehmigung für ein Wohnhaus ließe sich das Grundstück für ein kleines Vermögen losschlagen, und kaum einer zweifelte trotz Dicks gegenteiliger Beteuerungen daran, dass genau das sein Ziel war. Was sonst sollte ein Bauer, der Ackerbau betrieb, mit einem Stück Wald anfangen, wenn er nicht die Bäume fällte und das Land bebaute? So oder so würde das Wäldchen der Axt zum Opfer fallen.
Weldon hatte vorgebracht, es müsse früher einmal zur Shenstead Farm gehört haben; es schnitt in einem U-förmigen Bogen tief in das zu seinem Hof gehörige Gebiet ein, während es lediglich auf einer Länge von lächerlichen hundert Metern an den Besitz der Lockyer-Fox' grenzte. Im Stillen stimmten die meisten ihm zu, aber ohne beweiskräftige Unterlagen und Garantie auf Erfolg schien es wenig sinnvoll, die Sache vor Gericht zu bringen. Das konnte leicht mehr kosten, als das ganze Grundstück, selbst mit einer Baugenehmigung, wert war, und Weldon war ein zu kühler Rechner, um dieses Risiko einzugehen. Wie so oft in Shenstead wuchs auch über diese Streitfrage Gras, und der Status des Wäldchens als »Gemeindeland« war wiederhergestellt. Zumindest in den Köpfen der Dorfbewohner.
Unglücklicherweise hatte niemand sich die Mühe gemacht, es gemäß der Grundbuchordnung von 1965 als solches eintragen zu lassen, wodurch dieser Status rechtskräftig geworden wäre. So blieb es also ein Stück Land, auf das niemand einen Anspruch oder einen Titel hatte, und damit verführerisch leichte Beute für den erstbesten Landbesetzer, der sich auf ihm niederließ und bereit war, sein Recht zu bleiben zu verteidigen.
Im Gegensatz zu seinen Anweisungen an die Mitglieder des Konvois, sich nicht von der Stelle zu rühren, schlich Fox die Landstraße hinunter und pirschte sich von Haus zu Haus. Das einzige größere Anwesen neben dem Herrenhaus der Familie Lockyer-Fox war Shenstead House, wo Julian und Eleanor Bartlett lebten. Es war, ein Stück von der Straße zurückgesetzt, über eine kurze gekieste Auffahrt zu erreichen, und Fox stahl sich durch das Gras an ihrem Rand, um das Geräusch seiner Schritte zu dämpfen. Er blieb mehrere Minuten lang neben dem Wohnzimmerfenster stehen und beobachtete durch einen Spalt in den Vorhängen Eleanor, die eifrig dabei war, die Weinbestände ihres Gatten zu dezimieren.
Sie hatte gut ihre sechzig auf dem Buckel, aber mit Botox-Antifaltenspritzen und regelmäßiger Gymnastik sorgte sie dafür, dass ihre Haut einigermaßen straff blieb, und sah deshalb aus der Ferne jünger aus. An diesem Abend allerdings nicht. Das Gesicht aufgedunsen und erhitzt vom Genuss des Cabernet Sauvignon, der neben ihr auf dem Boden stand, lag sie auf dem Sofa, den Blick starr auf den Fernsehapparat in der Ecke gerichtet, um sich nicht das kleinste Detail von
East Enders
entgehen zu lassen. Nichts ahnend von dem heimlichen Beobachter, schob sie immer wieder eine Hand in ihren Büstenhalter, um sich am Busen zu kratzen, und unter der Bluse, die dabei auseinander fiel, kamen die verräterischen Falten an Hals und Dekolleté zum Vorschein.
Eine neureiche Zicke von der menschlichen, allzu menschlichen Seite – es hätte Fox amüsiert, wenn er etwas für sie übrig gehabt hätte. So aber verachtete er sie nur umso mehr. Dann ging er weiter am Haus entlang um die Ecke, um nach dem Ehemann zu suchen. Julian war wie gewöhnlich in seinem Arbeitszimmer, vor sich auf dem Schreibtisch eine Flasche Glenfiddich. Er telefonierte gerade, und sein herzhaftes Lachen prasselte gegen die Fensterscheibe. Manchmal drang seine Stimme durch das Glas, und Fetzen des Gesprächs wurden vernehmbar. »…nicht so ein Angsthase… sie sitzt im Wohnzimmer vor der Glotze… natürlich nicht… dazu ist sie viel zu egozentrisch… ja, ja, ich bin spätestens um halb zehn da… Geoff sagte mir, dass die Hunde außer Übung sind und mit massenhaftem Protest zu rechnen
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