Fuchsteufelswild
Jeden Tag beschwert sich einer von den Bauern beim Bürgermeister. Und der will wiedergewählt werden. Die Tagesausflügler preschen bei ihnen rotzfrech auf den Höfen umanand. Ob ihre verzogenen Krampen mal in den Stall schauen könnten und weià der Kuckuck. Die Stadterer sehn ja kein gescheites Viech mehr. Die kennen den Löwen und den Aff in- und auswendig, aber wo die Milch herkommt, da müssens passen, die kleinen Schlauhuber.«
»Aber das wär ned unser Sach«, ergänzt der Zweite. »Wenn der Bauer ned da is, verschwind sein Zeug. Des is ärgerlich. Als könnt ma sich Andenken mitnehmen, wie es einem passt. Kannen, Sensen, das Werkzeugl, alles, was ma sich denken kann. Sogar ganz dreist aus der Stuben naus, das Gschirr und die Bilder. Und das Viechzeug â Hühner und Enten sand scho wegkommen, und des war nur manchmal der Fuchs.«
Die Städter auf Plünderungszug. Hamstern wie in kargen Zeiten. Ein verzweifelter Versuch, vom ländlichen Lebensgefühl ein Stückerl mitzunehmen, wenns wieder im Rad rennen müssen und beim Rasten bloà vom Balkon der Zweiraumwohnung auf die blökenden Blechherden runterglotzen können. Das Hühnerstibitzen kann der Sandner sogar nachvollziehen. Wenn du dich heutzutage vollwertig ernähren willst, musst du findig sein â quasi füchsisch. Keine falschen Skrupel. Sonst bleibt dir nur übrig, diese nach Geselligkeit lechzenden, pumperlgesunden Mastviecher zu fressen, die von der Spatzenhirnlobby so dummdreist anpriesen werden. Wenigstens wärst du dann final gripperesistent. Auf nix kannst du dich beim Essen verlassen, auÃer, dass die Geldgier immer ein prominentes Sprachrohr findet, das depperte Worthülsen zur Volksberuhigung ausscheiÃt.
Einen Obolus sollte man den Bauern hier entrichten, eine Opfergabe für ihre Mühe. Weil es Hoffnung macht, dass man noch Viecher anschauen kann, die umanand laufen dürfen, wie es ihnen grad passt.
»Ich hab gwies kein Huhn im Sack«, versichert der Sandner und nimmt vom grienenden Polizisten seine Papiere wieder entgegen.
»Und? Gefälltâs Ihnen hier?«, fragt der, um das Gespräch anzuschüren.
âºWennd nix zum Sagen hast, mag ichâs au ned hörenâ¹, hatte Sandners Vater ihm bei solchen Anlässen beschieden.
»Ja, schöne Landschaft â das Moor, des hat schon was. Und der letzte Mörder hat sich siebzehnhundertnochwas in der Gegend herumgetrieben. Des gefällt mir auch, dass des so lang her ist.«
»Ah, Sie ham schon was gelernt und unsere Votivbuche gesehen.«
»Ja, des is anders wie in München. Hier werden die Leut noch vom Herrgott zum Sterben ausgepickt und ned vom Streithammel an der Ecke.«
»So idyllisch is es au ned bei unsâ des kriegen Sie bloà ned mit.«
»Könnt auch sein«, bestätigt ihm der Sandner, »gestern bin ich über einen Friedhof, da is mir das Grab von einem Madl aufgefallen, die war grad amal neunzehn. Des wird kein natürlicher Tod gewesen sein.«
Ein Schuss ins Blaue. Dass der Aschenbrenner ihn über die Votivbuche belehrt hat, lässt den Sandner jetzt als gelehrsamen Touristen daherkommen. Dabei hat er dessen preisende Gesänge über die Kleinode des Kurorts nur als Billiger-Jakob-Nummer gesehen, um ihm den Wochenendtrip zum einmaligen Event aufzublasen. Da hätte sich der Aschenbrenner gar nicht ins Zeug legen müssen, futurologisch betrachtet.
Der Spargel zieht anerkennend die Brauen in die Höhe.
»Da merkt man gleich den Kriminaler, den Riecher. Sie meinen gwies die Grainer Anni auf dem Rochusfriedhof. Die hat aber keiner umbracht, die hat sich aufgehängt, vor sieben Jahr. Depressiv. Beim Rantscher Weiher hinten, an einem Baum ist sie gefunden worden. Einen Strick um den Ast, und aus warâs.«
Der Polizist zeigt den Weg entlang, den der Sandner gekommen ist.
»Da hinten wohnt der ...« Er stutzt und mustert den Münchner mit gerunzelter Stirn. Eins und eins sind zwei.
Sein Gesprächspartner hat schon den Autoschlüssel in der Hand. »Servus. Waidmannsheil mit der diebischen Stadtbagage«, wünscht er noch, bevor er sich hurtig davonmacht.
Kaum losgefahren, haut er aufs Lenkrad. Sandner, du bist ein seltenes Rindviech! Die ortskundigen Kollegen aushorchen zu wollen, ohne aufzublättern, dass er auf Fährtensuche ist, könnte ein grober Schmarrn gewesen sein. Gerade,
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