Fuchsteufelswild
weil er sich nicht besonders geschickt angestellt hatte. An ihrer Stelle würde er jetzt beim Grainer aufschlagen und nachhorchen, was der Münchner Adabei von ihm gewollt hätte. Sicher ist er, dass der Anruf im Präsidium nicht lang auf sich warten lassen wird. Da hat ihn sein innerer Kompass in die falsche Richtung geführt, das könnten ihm die Trachtler krummnehmen. Er überlegt, ob er dem schlechten Gefühl beim »Vogelwirt« ein oder zwei Schnäpse entgegensetzen sollte, aber angedudelt auf Zimmersuche wär wenig gescheit. Er hat nämlich beschlossen, dass Bad Kohlgrub noch nicht verzichten kann auf die Anwesenheit eines Münchner Superbullen.
D ie Wiesner und der Hartinger sitzen mittlerweile in einem Café am Winthirplatz und linsen durch die Glasfront nach drauÃen. Viel spielt sich nicht ab. Die Leut führen ihre Zamperl spazieren, ein paar Jugendliche schlappen herum, in der vergeblichen Hoffnung auf etwas, das die Langeweile tötet oder sich als YouTube-Motiv anbietet. Träge kommt der Sonntag daher, wie nach einer fetten Mahlzeit oder durchzechten Nacht.
»Simmer jetzt der Erleuchtung ein Stückerl näher?«, fragt der junge Beamte.
Die Wiesner nippt vom Latte macchiato.
»Was stört dich denn an den Leuten?«
»Tätst du bei solch einem Larifari mitmachen? Die ziehen ihnen das Geld aus der Tasche und tanzen daheim Polka auf dem Tisch. Hast doch gesehen, wie der Brandl gelebt hat. In Saus und Braus, der Möchtegern-Guru.«
»Hast du dich nie gefragt ... na, vergiss es.«
»Wenn ich weg bin, bin ich weg, wenn du das meinst. Vielleicht hab ich eine Seele â aber gwies komm ich ned noch mal als SchmeiÃfliege oder Kohlrabi auf die Welt. Und solang ich da bin, bin ich scho zufrieden und richt mich ein. Was willst mehr?«
»Schaug dir die Leut an, die wir finden, wie die verreckt sind. Macht des Sinn, is des fair? Und da hat er doch recht, der Stangassinger, a bisserl mehr Wert dürft im Leben schon drinstecken, sonst wärâs ... ach, ich weià au ned.«
Ein beredtes Schulterzucken erntet sie vom Hartinger.
Seine Mutter strebt immer noch nach Mehrwert. Dafür treffen sie nur einmal im Jahr aufeinander. Die verästelten Diskussionen um nix und wieder nix klonen sich, als wären sie in einer Zeitschleife gefangen. Das Spirituelle kann jeden Morgen grüÃen. Was hätten sie sich sonst zu sagen?
Der Vater hat das nicht so lange ausgehalten. Der hat sich wohl gedacht, in seinem Leben sollte nicht die Beziehung mit einer mehrwertigen Hex drinstecken. Jetzt lebt er in Kempten mit einer Frau, die jünger ist als der Hartinger. Die hat ein Blumengeschäft und ist evangelisch.
»Mir langt des, was ich hab, zumindest predigt mir kein Dauerlächler einen Schmarrn daher.«
»Ich hol mir jetzt einen Kuchen, und dir bring ich a Stückerl Toleranz â mit Sahne.«
Hartingers Miene verdüstert sich. Er blickt der Frau hinterher, wie sie sich zur Theke davonmacht. Mit zwei Mohnschnitten erscheint sie kurz drauf wieder.
»Was anders habens leider ned.« Ihr Grinsen ist ansteckend.
»Was machma als Nächstes, oder warten wir bloà auf die Spurensicherung? Da wird uns der Wenzel in der Pfanne verrückt«, will der Hartinger wissen.
»Das wär doch nix Neues. Wir laden uns alle vor, die sich bei den Yogis angemeldet haben, es könnt ja sein, dass die anonyme Anruferin darunter ist ...«
»Oder der Genickbrecher.«
»Oder der.«
»Meinst du, der Sandner tut was auf?«
»Wenn was da ist in Bad Kohlgrub, findet er es â oder es findet ihn.«
W as unser Josef jetzt finden will, ist eine billige Herberge. Ohne Esel und Maria ist das wahrscheinlich keine komplexe Aufgabe. Bad Kohlgrub ist ja fremdenverkehrstechnisch hochglanzpoliert. Allüberall lädt dich ein Zimmer-zu-vermieten-Schild zum Verweilen ein. Das obere Kurgebiet steht, wegen mangelnder Wanderkompetenz, bei ihm nicht zur Debatte. Früher hätte er sich nix geschissen und zur Not die Liegesitze seines Autos ausgenützt, aber mit jedem Lebensjahr ab vierzig wächst das Bedürfnis nach angemessenem Komfort. Mittlerweile kennt er die spezifischen Eigenheiten seines Rückens aus leidvoller Erfahrung. Mit dieser Konstellation verschwendest du keinen Gedanken an Downgrading. Das einfache Leben, alternativ Askese, koaliert nur bedingt mit reichen inneren Erfahrungen.
Weitere Kostenlose Bücher