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Fuchsteufelswild

Fuchsteufelswild

Titel: Fuchsteufelswild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Krause
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schwirrt noch der Kopf von den vielen Befragungen. Nur die jetzigen Teilnehmer haben sie sich aus Stangassingers Datei herausgepflückt. Dabei sind sie auf einen Namen gestoßen, der – hoffentlich – ein Zufall gewesen ist. Die Corina Sandner muss wohl an einem Yogakurs teilgenommen haben. Fast ein Jahr ist das hergewesen. Zum Glück nicht aktuell. Den Newsletter wird sie jedenfalls bekommen haben. Die Wiesner hat kurz gestutzt. Der Name hat sie in der Entscheidung bestätigt, die alten Listen vorerst nicht zu beackern.
    Massenabfertigung im Minutentakt. Drei Fragen und gut.
    Alle brauchbaren Kollegen hat sie dafür zusammengetrommelt, die sonntags so unvorsichtig waren, in der Hansastraße aufzuschlagen. Nichts Neues haben sie herausgekitzelt. Keine Auffälligkeiten. Kein Name ist rot unterstrichen worden.
    Ein Loblied auf den Toni haben sie gesungen, in unterschiedlichen Tonlagen und Ausprägungen. Und alle haben ein mehr oder weniger sinnvolles Alibi dahergebracht. Davon lässt sich die Wiesner nicht blenden. Positiv überrascht war sie von der Normalität der Leut gewesen. Sicher, die eine oder andere kam ein bisserl überkandidelt daher und hat den Lobgesang eher wie eine Operndiva rausgeschmettert, aber abgehobene esoterische Spinner oder missionarische Asketen sind nicht darunter gewesen. Trotzdem hat die Polizistin das Gefühl gehabt, ein Teil im Puzzle vom Brandl fehlt noch. Sie hat den Teich noch nicht bis zum Grund erkundet.
    Bei all den Schilderungen hat sie etwas vermisst, das bei ihr nicht außen vor gewesen wäre. Der Toni als Mann ist überhaupt nicht existent gewesen. Als wär er ein Neutrum. Jede der Frauen war peinlich drauf bedacht gewesen, nur die spirituelle Erfahrung zu beschreiben, die er transportiert hatte. Das haben ihr die anderen Beamten bestätigt. Tonis Männlichkeit ist nirgendwo erwähnend gestreift worden. Diese Klippe hatten sie umschifft, und eigentlich war sich die Polizistin sicher, dass Absicht und Vorsicht dahintergestanden hatten. Das war offensichtlich ein gefährlicher Bereich, da sind die Lippen versiegelt gewesen, um ja keine Deutung zu ermöglichen. Richtig oder falsch? Deutungen worüber?
    Ihr ist das Gespräch mit der Frau im Meditationsraum wieder eingefallen. Ob jemand etwas verwechselt hat – die Frage ist weiterhin präsent. Nur ein kleiner Satz – aber inhaltsschwanger. Sie hat vor, diese Frau zu Hause aufzusuchen, denn immerhin ist ihre vage Andeutung nahrhafter gewesen als all die Lobeshymnen auf den fleischlosen Toni. Wenn sie ihr noch etwas entlocken könnte, dann am ehesten in der Sicherheit des eigenen Heims.
    Â»Wir ham, glaub ich, fast zwanzig verschiedene Madln«, verkündet der Jonny Winter stolz.
    Seine Vorgesetzte schaut sie sich gespannt auf dem Display an.
    Â»Zwanzig? Seids narrisch, so viele haben wir nicht befragt. Die Zweite da ist die Frau vom Hauptkommissar Muck, und als halbwegs jung geht die gwies nimmer durch. Die bringt dem Muck bloß seinen Leberkas vorbei. Die aufbrezelte Scherbn ist die Kollegin Zirngiebel. Seids ihr blind? Was habts ihr da zamknipst?«
    Â»Zirngiebel? Kenn ich no gar ned«, bemerkt der blonde Ermittler interessiert.
    Â»Habts auch brauchbare Bilder, oder wolltets ihr nur was zum Geiern? Des is armselig. Ihr seids mir eine schöne Voyeurscombo.«
    Am Ende sind dann doch dreizehn Frauen übrig geblieben, die auch vernommen worden sind. Mit diesen Aufnahmen samt Netbook dürfen die Fotografen gleich in die Sedanstraße weiterziehen, um Toni Brandls Nachbarn einen Katalog der anderen Art zu präsentieren.
    D as Westend ist gescheit gerodet und hergestutzt worden. Früher ist es ein wilder, undurchdringlicher Urwald gewesen. Die Artenvielfalt war vogelwuid. Buntes Treiben, Leben auf der Straße, orientalischer Trubel, nix, was es nicht gegeben hat. Nicht herangezüchtet mit Spezialerde in Blumentöpfen aus edlem Material, sondern sprießend aus jeder Mauerritze. Tolerante Nischen für jedermann. Heutzutag muss der Wildwuchs schon an einigen Stellen weichen. Das Unkraut ist ausgerissen worden. Akribische Gärtner, die Spekulantenbrut. Die Bausubstanz hat Wert, die Leut, die drin gewohnt haben, weniger. Die Altbauten werden entkernt und hergeschminkt, weil das Geschäft mit dem nostalgischen Gefühl besonders gut das Geldsackerl füllt. Dafür wird halt der eine oder andere Hornochs ausgewildert.

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