Fuchsteufelswild
Dabei findest du es noch im Westend, das Ursprüngliche, das Farbenfrohe und natürlich das Rohe, Derbe, Unbehauene, grad so, wie man leben mag, wenn nicht alles synthetisch sein soll, von den Tutteln bis zum Hopfengetränk.
Allerdings musst du Geduld einstecken haben heutzutag, für die Suche, fast wie ein Anthropologe. Es ist halt eine friedliche Koexistenz. Man lässt die Hornochsen grasen und ihre Geldfladen hinterlassen. Jedem das Seine, wie es allerweil gewesen ist, im Westen.
Die HansastraÃe ist dafür exemplarisch. Da fällt nicht einmal eine ansässige Mordkommission auf, höchstens den Mademoiselles aus der Lustbranche bezüglich Optimierungsbedarf beim Kundenservice.
Die Wiesner ist mit dem Fahrrad unterwegs Richtung Schwanthalerhöhe. Auch ein poliertes Stückerl vom Westend.
Sie braucht frische Luft, wobei frisch angesichts des Verkehrsaufkommens eine sehr mutige Umschreibung ist. Eher ein frommer Wunsch.
Natürlich ist es ein aufgehübschter Altbau. Im dritten Stock wohnt die Frau Leistner. Susanne. Halbtagskraft bei einer Versicherung. Keine Kinder. Aber eine Katze, wie die Wiesner gleich erfährt, als sie in die Wohnung gelassen wird.
Die Susi Leistner ist in ein schwarzes Leinenkleid gehüllt, und zum zweiten Mal fällt der Polizistin die ruhige Präsenz der Frau auf. Eine Art Aufmerksamkeit, die dem Gegenüber Bedeutung zumisst. Eine frische Brise ist das, wo sich doch in der Stadt genügend Leut tummeln, denen es nicht gegeben ist, etwas anderes zu betreiben als exzessive Selbstwahrnehmung. Wenigstens verhindert das die Einsamkeit, du bist ja immer in nobelster Gesellschaft.
Warum die Frau in den Räumen von Calm&Peace das Gespräch mit ihr gesucht hatte?
Sie führt die Wiesner in ein geschmackvolles Wohnzimmer, Ledercouch, Pinienholzkommode, Buchenparkett. Es riecht nach Vanille. Die Wiesner wehrt sich ein bisschen dagegen, sich wohlzufühlen, will sich das Hirn nicht in Watte packen lassen.
»Möchten Sie eine Tasse Chai?«
Der Ermittlerin kommt ein Nicken aus, bevor sie drüber nachdenkt.
»Ich hab über das gegrübelt, was Sie gesagt haben«, meint sie, während die Frau die Tassen befüllt. Die Hand zittert ein wenig.
»Was genau?«, sagt sie zur Teekanne.
»Emotionen.«
»Ich weià nicht ...«
»Schauens, Frau Leistner, des Umbringen von einem Menschen ist nicht so einfach. Nicht wie im Kino, der eiskalte Killer. Da staut sich was auf, was jede Hemmung wegreiÃt. Der Brandl Toni hat gekämpft mit seinem Mörder, und der war getrieben, auÃer sich, in Rage, ein Viech, wollt ihn vernichten, auslöschen, wegmachen. Und ich will rausfinden, wen der Toni so ...«
»Ich versteh Sie, aber ich weià nicht, wie ich ...«
Die Leistner lässt sich in einen Sessel fallen. Sie reibt sich die Augen.
»Ham Sie einen Verdacht? Gab es eine Affäre?«
»Affäre? Seltsames Wort.«
»Dann sagen Sie mir ein anderes dafür.«
»Entschuldigung, aber ich weià nicht, wie ich Ihnen helfen könnte.«
»Möchten oder können?« Die Wiesner ist sich jetzt sicher, dass sie an der richtigen Stelle gegraben hat.
Die Frau atmet schwer. In ihrem Gesicht zeichnet sich ein Kampf ab. Ein Handy spielt »Für mich sollâs rote Rosen regnen«.
»Tschuldigung, meins.« Die Wiesner kramt es aus ihrer Jackentasche und geht in den Flur. Der Hartinger.
»Gutes Timing, Hartinger.«
»Bingo.«
»Habts also einen Treffer?«
»Des is a bisserl komplitückischer.«
»Wieso?«
»Sie haben schon jemanden wiedererkannt.«
»Ja, immerhin.«
»Ja aber, das ist nicht wirklich verlässlich, wie die Leut halt so sind.«
»Sag scho!«
»Die Nachbarn waren ein bisserl widersprüchlich, verstehst? Wir hätten sieben verschiedene Treffer.«
Die Wiesner sagt nix. Sie schaut zur Wohnzimmertüre.
»Ja verreck«, murmelt sie.
»Was sagst? War wohl nix«, meint der Hartinger.
»Wir treffen uns nachher, ich ruf wieder an.«
Sie steckt das Handy ein und gesellt sich wieder zur Leistner. Nach Adam Riese, wären sieben plus eins schon mal acht.
D er Sandner ist im Wohnzimmer der Maria beim zweiten Gläschen. Gemütlich ist es, so gemütlich, dass die Frau offenbar ihren Grant auf sein Polizistendasein ganz vergessen hat.
Er hat ein bisserl aus München erzählt und sie vom Leben im Ort.
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