Fuchsteufelswild
Kriminaler und der Staatsanwalt, wenn sie sich behakeln und ans Bein pinkeln. Da gehtâs ums Revier.
»Herr Staatsanwalt, ich ... komm, sobald machbar.«
»Was heiÃt machbar? So wie ich das sehe, ist Bad Kohlgrub eine traurige Sackgasse. Ihre Theorien sind im Moor abgesoffen. Erst gestern wolltens mir noch unbedingt diesen Bauern, diesen Grainer, präsentieren. Der Mordbube schlechthin. Und, was ist draus geworden? Fast wär ich Ihnen auf den Leim ...«
»Aber Sie ham doch ...«
»Und heut warâs vielleicht seine Kuh.« Der Wenzel lacht allein über seinen Schenkelklopfer. »Vergessen Sie es, Sandner. Der Hopf ist unser Mann.«
»Wenn Sie es sagen. Gebens mir die Kollegin Wiesner bittschön wieder.«
Wie sie sich meldet, weist er sie an, den Lautsprecher abzustellen.
»Sag amal, Sandra, wieso is der Hopf ausgerechnet Samstagabend zum Brandl und ned am Freitag oder Sonntag? Gabâs da einen aktuellen Anlass?«
»Oh Fuck, Sandner, ich bin so saublöd â des is mir untergangen.«
»Macht nix, fragst ihn halt, der rennt dir ja gwies nimmer weg. Vielleicht sollt ich dem Hambacher auch die Haxn brechen, was meinst?«
B ewegung macht dich hungrig. Und der Sandner hat sich bewegt. Den gesamten Pfad ist er hinauf und wieder hinunter. Unwirkliche Atmosphäre. Klangspiele, Hainbuchen, Steinkreise, Waldlehrtafeln. Die FüÃe sind selbstüberlassen entlanggehatscht und hatten ihre Gaudi dran, der Geist ist derweil über andere Schauplätze gestrichen. Jetzt ist der Magen an der Reihe. Beim »Vogelwirt« lässt sichâs der Sandner schmecken. Eine gegrillte Ãsche mit Kartoffeln, passend zur Gegend. Wegen so einem Fisch sind im Herbst die Fliegenfischer unterwegs. Dafür ist der Sandner nicht zu haben. Natürlich haben sie als Buben das Schwarzangeln zelebriert, um den Jagdtrieb zu befriedigen, aber beim Kriminaler klopft schnell die Ungeduld an der Tür. Und abwimmeln lässt sie sich nicht so leicht, wie die Bibeltandler, höchstens ablenken. Im Moment erledigen das ein leckeres Mahl und der schweifende Blick vom Sandner über die Gäste. Niemand, den er im Ort kennengelernt hat. Am Nebentisch glaubt er einen Mann zu sichten, der gestern bei der Maria shoppen war. Er sitzt vor dem Braten, mit einer Frau gleichen Alters. Seine Hand liegt auf der ihren. Der Polizist muss schmunzeln. Sie sind gwies ins Gespräch vertieft über die Fahrt mit der Gondel zum Hörnle oder dem letzten Theaterstück der Bad Kohlgruber Volksbühne. Dabei würde er am liebsten zuhören, sich treiben lassen, nur einen Moment. Ãber all das Schöne reden und das Erfrischende, das hier beheimatet ist.
Seine Ortsführung schaut anders aus. Der verwahrloste Hof vom Grainer mit den ausgeweideten Hasenleibern, das Haus vom Hambacher samt dessen gruseligen Bewohnern, das Grab von der Anni oder der Baum im Wald, an dem sie gebaumelt hat. Er hat nicht bemerkt, dass die Bedienung längst seinen leeren Teller abgeräumt hat. Dreizehn Uhr. Allen seinen Schäflein muss er nochmals einen Besuch abstatten. Sandner, der gute Hirte. Mit dem Grainer wird er anfangen. Heut Abend muss er zurück. Die Maria will auch nicht aus seinem Kopf, als gäbâs drin einen Herrgottswinkel, wo ihr Bild aufgehängt ist zum Anbeten. Besser als ein Kreuz, besser das Lebendige zelebrieren, bis es dich derbrackt.
Und der Maxi? Was hat der Hambacher dahergelallt? Verkaufen würde er das Zeug an die jungen Leut hier. Im Grunde genommen sitzt er mit dem Schorschi junior im selben Boot. Früher sind die Burschen auf die Walz. Sie haben was gesehen von der Welt als »Fremdgeschriebene«, und wennâs einmal nicht aufgepasst haben, war niemand da, der ihnen das Ãrschlein abgeputzt und die Scherben weggeräumt hat. Selbst mussten sie dastehen, und während ihrer Wanderjahre haben sie mehr über sich gelernt wie in zehn im Nest. Hier geht der eine Bubi in den Wald und schieÃt umanand, der andere frisst sich die Träume mit Pilzen her. Die Alten täten vielleicht sagen, eine Tracht Prügel und gescheite Arbeit schadet nix. Und wenns a bisserl jünger sind, hoffen sie, die Blaskapelle und der Schützen- oder Burschenverein können es vergipsen und das Loch stopfen. Freilich, wenn du Tradition und Brauchtum pflegst, verlierst du nicht deine Wurzeln. Aber die Sehnsucht, die eigene Welt zu packen und festzuhalten,
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