Fuchsteufelswild
Scho gar ned als Veganerin, hatâs gesagt. Veganerin â des Wort vergess ich nie. Ich hab erst geglaubt, das ist eine Sekte, aber mei Frau hat des gekannt.«
Der Sandner nippt vom Kaffee. Noch immer ist er ratlos, was den Grainer grad umtreibt. Der wortfaule, mürrische Kerl hat sich in ein Fieber geredet. Ob da jetzt der Kriminaler sitzen würde oder wer anders, scheint nicht von Belang.
»Wie ich meine Viecher halten tät, des wär grausam und ein Mord. Wenn du bloà Salat frisst, macht dich des zum besseren Menschen? Na â weil du von oben nunterschaust auf die Leut und meinst, die sand alle eh bloà soachwarme Schafszipfel â verstehst mi? Ich weià scho, wie sie in Indien die Küh verzärteln, hätt ichs anbeten sollen und Hostien zum Fressen geben? Zu der Zeit hab ich dreiÃig Stück Milchvieh ghabt. Hat grad so hinglangt. Ja und die Anni hat sich von allen zurückgezogen, wollt mit den anderen nix mehr zum Tun haben. Als kleines Madl warâs a richtige Schmoachlkatz. Und dann? Eine eigene Welt. Keiner hat die verstanden. Nie fidel oder zum Schwofen. Nix. Als tät sie sich kasteien für unsere Sünden im Ort. Deswegen ham die Leut gsagt, sie ist schwermütig. Und wie ma sie dann beim Weiher gefunden hat â des kann sich keiner vorstellen. Ein Jahr später is mei Frau gestorben, am Krebs â ned am Gram, wie die Leut sagen. Des ging ganz plötzlich. Und ich hab mir dacht, für was arbeitst du dich ab? Nix is mir blieben.« Wie aus einem Traum erwacht, schaut der Grainer sein Gegenüber an. Dann nickt er entschlossen. »Aber es hätt nicht so kommen dürfen, des is kein Schicksal. Des sind die Leut, die mandeln sich auf â aber irgendwann ist Schluss. Des derf ma nicht durchgehen lassen.«
»Wem nicht durchgehen lassen, Grainer?«
»Sie wollten doch Annis Zeugl sehen â kommens mit.«
In einem düsteren Kammerl zerrt er einen Karton aus der Ecke. »Des is alles, was da ist von der Anni.«
»Derf i?«, fragt der Sandner.
Der Bauer nickt. Ein Sammelsurium aus asiatischem Zierrat, Büchern, Kleidungsstücken und Tüchern fördert der Polizist zutage. Keine Briefe, kein Tagebuch, kein Bild. Selbst nach sieben Jahren in Grainers Kammer entströmt dem Karton noch der exotische Duft nach Sandelholz und Weihrauch.
Der Grainer ist davongeschlappt und kommt jetzt mit zwei Fotografien wieder. Eine zeigt ein vielleicht fünfzehnjähriges strahlend lachendes Mädel Arm in Arm mit einer Frau. Mutter und Tochter. Das andere ist ein Passbild. Die Anni, sehr dünn, dunkle, tiefe Augen schauen den Sandner ernst an. Da war sie vielleicht achtzehn.
»Derf ich mir die borgen?«, fragt der Sandner.
Der Grainer nickt. »Eh scho ois wurscht.«
Der Sandner verabschiedet sich vom Grainer mit einem komischen Gefühl. Aufgeräumt scheint der, und eine grimmige Entschlossenheit strahlt er aus. Wozu entschlossen? Oder ist er nicht zum Saufen gekommen heut.
»Der war gwies einmal ein sauberner Hof«, meint der Sandner, einen kurzen Blick umherwerfend.
»Ich hab keine Erben, Sandner. Aber irgendwann wird das bestimmt wieder ein schöner Hof. Wer von der Arbeit ned davonläuft, find hier ois, was er braucht.«
Der Sandner schaut ihn misstrauisch an. Aus dem Gesicht kann er nichts herauslesen. Nichts, was ihm weiterhülfe. Da bräuchtest du eine Ãbersetzung.
»Auf Wiederschaun«, sagt er.
Der Grainer nickt ihm zu. »Machens es gut, Herr Kriminaler.«
G anz in Gedanken zuckelt der Sandner zurück in den Ort. Warum hat sich der Grainer in sein Sonntagsgwand geschmissen? Der schaut nicht aus, als ob er um einen Geburtstag ein Geschiss machen würde. Schon gar nicht um den eigenen. Da ist etwas im Busch.
Es wird ja viel experimentiert, hier und auf der ganzen Welt, mit Intentionsdiagnostik, vorausschauender Analyse, avancierter Ãberwachung und Pipapo. Damit du als Polizist weiÃt, an welchem Ort wer zukünftig ein Verbrechen begehen will oder vielleicht morgen früh dran denken könnte, brauchst du eine Menge algorithmisches Handwerkszeug. Auf das kann der Sandner verzichten.
Im Ort brodelt es, und das sind nicht die Whirlpools im Wellnessresort. Bis in die Haarspitzen spürt er, dass etwas im Gange ist, das auf Bad Kohlgrub zurollt. Jetzt fehlt ihm die magische Glaskugel, weil er zu gern gewusst hätt, welche Rolle ihm der
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