Fuck Buddies - Fremde und andere Liebhaber
nicht.“
Einstellung: Kais Gesicht.
„Wichtig ist nur, dass man nie vergisst, wo man hinfährt.“
Erstens, Zweitens, Drittens
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„Vergiss es einfach!“
„Nun hab dich doch nicht so.“
„Du spinnst!“
„Du würdest mich damit aber sehr glücklich machen.“
„Du willst mir also erstens sagen, dass es dich glücklich machen würde, wenn ich mich vor Schmerzen winde …“
„Dass du immer so übertreiben musst.“
„… und bist zweitens nicht in der Lage, eine einfache Antwort von mir zu akzeptieren …“
„Aber …“
„… und drittens hast du immer noch nicht verstanden, dass es dieses Mal kein Aber gibt. Nur ein Vergiss es! Ich lasse mich nicht von einem Kugelhagel durchsieben, nur weil du meinst, damit ein Geschäft machen zu können.“
Caradonna sieht mich an. Sie hat diesen ganz besonderen Blick aufgesetzt, den man für Hunde reserviert, die noch nicht ganz stubenrein sind. Für störrische Kinder. Und eben manchmal auch für einen renitenten Angestellten. In diesem Fall also für mich. „Weißt du, Uwe“, beginnt sie nach einer kleinen Pause und schafft es erstaunlicherweise, den Ausdruck ihres Blickes eins zu eins in ihre Stimme zu übertragen, „du neigst dazu, alles zu überdramatisieren. Niemand redet von einem Kugelhagel. Es ist doch nur ein einziger Schuss.“
„Der mich töten kann!“, empöre ich mich.
„Ganz sicher nicht, wenn er richtig plaziert wird. Wir sind schließlich Profis. Das weißt du doch.“
Ja, ja. Das weiß ich. Aber Professionalität hin oder her – diesmal verlangt meine Chefin wirklich zu viel. Trotzdem muss ich mich fast schon darauf konzentrieren, meine Entrüstung aufrechtzuerhalten und wütend auf mein Gegenüber zu sein. Erstens kann man einer Frau wie Caradonna nicht wirklich böse sein. Sie ist einfach herrlich abgedreht, eine Mischung aus Cher und Mutter Beimer. Zweitens weiß ich, dass sie den Vorschlag nach meinem klaren Nein mehr aus sportlichem Ehrgeiz weiterverfolgt denn aus dem wirklichen Wunsch, mich zu überreden. Und drittens ist die Situation einfach zu absurd, um ernst zu bleiben: Immerhin hat meine Chefin gerade von mir verlangt, einen Streifschuss ins Bein zu bekommen, um einer ihrer berühmten Jeans einen besonders authentischen Touch zu geben.
Natürlich ist das Phänomen der customized jeans nicht neu. Jene Hosen also, die aussehen, als hätten sie schon mindestens fünf Vorbesitzer gehabt, die angeschrabbt sind, zerrissen, bizarre Farbkleckse aufweisen. Die alt und aufgetragen wirken, aber neu sind und ziemlich viel kosten. Nein, Caradonna hat dieses Phänomen ganz sicher nicht erfunden. Aber sie hat es zu einer eigenen Kunstform erhoben.
Statt ein paar hundert Hosen gleichzeitig in gigantischen Trommeln mit Steinen waschen oder sie von Minderjährigen in Billiglohnländern mit Stahlbürsten und anderen Instrumenten im Akkord nachbearbeiten zu lassen, hat sie eine kleine, exklusive Geschäftsidee verwirklicht: Y-Jeans – An Experience for Real Men . Die Hosen, die sie verkauft, sind Unikate und haben schon einiges erlebt. Oder, wie sie zu sagen pflegt: „In ihnen wurde gelebt.“ Das sieht man ihnen auch an. Und für so eine gefühlsechte Hose, die einen Hauch von Abenteuer, Exotik und Dekadenz verspricht, greifen erstaunlich viele schmerzfreie Konsumenten tief in die Taschen ihrer ansonsten wohl eher braven und lebenstechnisch nur eingeschränkt erfolgreichen Alltagshosen.
Damit die Jeans ihren Look bekommen, müssen sie eingetragen werden. Und dafür hat Caradonna – die eigentlich Claudia heißt, was aber weder zu ihrem Auftreten noch zum Image von Y-Jeans passt – mich und einige andere Männer unter Vertrag. Was uns eint, sind durchschnittliche Konfektionsgrößen, durchschnittliche Körper … und eine ganz und gar nicht durchschnittliche Macke. Denn trotz der guten Bezahlung ist es schon ziemlich dämlich, Freeclimbing zu machen, um eine nagelneue Hose – wie ich sie auch jetzt gerade gewohnheitsmäßig trage – am Fels möglichst stark abzureiben. Ein paar Tage lang auf dem Bau mitzuarbeiten und jeden Abend die staubige Hose mit einem Spezial-Textillack zu bearbeiten, um die Gebrauchsspuren zu konservieren. Und an die Woche intensiven Bullenreitens in einer fragwürdigen Wildwestbar möchte ich lieber gar nicht mehr denken. Die Hose litt verkaufsfördernd. Der Inhalt derselben, nämlich ich, konnte tagelang nicht mehr vernünftig gehen. Außer natürlich zu Caradonna, um das geschundene Beinkleid
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