Fuck the Möhrchen: Ein Baby packt aus Roman (German Edition)
Englisch, oder hab ich da was verpasst.«
»Wir müssen ja auch nicht, war ja nur eine Idee ...«, sagt Oma leise und auf Opas fragenden Blick: »Das hab ich mal gehört, als die Besatzer damals da waren ....«
»Das singen wir nicht!«, poltert Opa plötzlich los, doch Papa und Mama haben schon mit dem Vorspiel angefangen, und Oma singt leise mit.
»Dschingel Bälz, dschingel Bälz, Dschingel ohl se wäi.«
Sie wird lauter.
»Oh wott fann, it is tu reid, in a wann hoß opän släi«, und beim »Hey!« geht es mit ihr durch, und sie macht ein paar Tanzschritte nach rechts und links.
Opa verlässt den Raum.
So habe ich sie noch nie gesehen und die anderen scheinbar auch nicht.
Mama und Papa hören auf zu spielen, und Oma ist ihr sportlicher Exkurs jetzt peinlich, denn sie ruft atemlos: »So, jetzt wollen wir mal gucken, ob das Jesuskindchen schon da ist, eigentlich kommt das ja erst am fünfundzwanzigsten Dezember morgens, aber wir wollen ja nicht die ganze Nacht aufbleiben, nicht, Mia, und Maria und Josef sind ja auch schon ganz müde, schau mal, Mialein.«
Sie hebt mich hoch und lässt dabei unauffällig irgendetwas aus ihrer Hand in den Stall fallen, das sehe ich genau.
Tatsächlich. In der Krippe liegt nun ein Baby aus Holz, das nur mit einer Windel bekleidet ist und ansonsten nackig mitten im Winter vor sich hin chillt.
Mir deucht, ich bekomme Konkurrenz.
Nun ist plötzlich ein zweites Kind im Haus.
Gut, es ist aus Holz, aber wer die Geschichte von Pinocchio kennt, weiß, dass es möglich ist, Holzfiguren zum Leben zu erwecken, wenn es sich die Eltern nur stark genug wünschen.
Gucke Mama und Papa an und bemerke, dass sie bereits die Augen geschlossen haben und sich ihre Hände im Gebetsmodus befinden, den ich sonst nur von Oma kenne.
Das muss ich verhindern.
Haue gegen die Krippe, aber Oma zieht mich weg, nimmt mich wieder auf den Arm und sagt: »Ich gehe jetzt in die Küche und mache Würstchen und Kartoffelsalat, das Weihnachtsfest ist schließlich ein Familienfest, und da will ich gerne meinen Teil zu beisteuern.«
Familienfest, aha. Und da reicht ein Kind nicht, oder was. Mit Teddy sind wir doch sechs Leute, das ist doch wohl dicke genug, wer braucht denn da noch so ein hilfloses Ding, das sich noch nicht mal drehen kann.
»Nein, Mutter«, ruft Mama indes gereizt und rennt uns hinterher, »das haben wir doch schon tausendmal durchgekaut. Chris und ich machen Sushi, das ist gesünder und, ja, auch moderner, nichts für ungut, Mutter, setzt dich mal hin und ruh dich aus.«
»Wovon soll ich mich denn ausruhen«, ruft Oma entrüstet, »ich bin wohl für nichts mehr nutze, das willst du doch sagen, oder?!«
Opa betritt nun ebenfalls die Küche und riecht komisch aus dem Mund. Lallend dröhnt er: »Klar musst du dich ausruhen, von deinem heißen Schwoof gerade eben, du hast doch wieder an Johnny gedacht, ha, als ob ich das nicht merken würde, aber dein Johnny ist abgehauen, merk dir das ein für alle Mal, und jetzt will ich nichts mehr hören und nur noch vergessen! Prost Gemeinde, der Pfarrer säuft.«
Er kippt sich eine klare Flüssigkeit in den Hals, die ganz anders riecht als Wasser, und lässt sich krachend auf einen Stuhl fallen.
»Und liebe Heike, Sushi, das ist doch roher Fisch, so was essen wir nicht, das kannst du dir abschminken.«
Heike guckt von Opa zu Oma und wieder zurück.
»Wer ist Johnny?«
»Ich mach mal die Würstchen«, beeilt sich Oma zu sagen, legt mich auf die Krabbeldecke und rennt hinaus, um das Essen aus der Vorratskammer im Keller zu holen.
»Mit dem hatte deine Mutter was, bevor ich sie mir geangelt hab«, sagt Opa nicht ohne Stolz in der Stimme. »Ich, ein angehender Metzgermeister hat einen attraktiven Besatzungsjungen ausgestochen, der auf der Mundharmonika Elvis-Lieder blasen konnte.«
Und Richtung Keller: »Mich hat se genommen, wegen der Si-cher-heit, tja, ein ordentliches Handwerk hat noch niemandem geschadet!«
Oma kommt mit den Würstchen herein und murmelt mir ins Ohr: »Mach du es mal besser, Mia, nimm den, den du wirklich liebst, und wenn der abhauen will, reise ihm hinterher und nagle ihn fest, versprich mir das!«, und ich denke an Sören-Wotan und werde knallrot.
»Mia hat Fieber«, ruft Mama besorgt.
Oma nimmt den Themenwechsel erleichtert auf und sagt: »Ich hole Thermometer und Zäpfchen, bin gleich wieder da.«
Alles nur nicht das, denke ich panisch, und bevor sie mir das Thermometer an seinen Bestimmungsort schieben kann, schlafe ich
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