Fuck the Möhrchen: Ein Baby packt aus Roman (German Edition)
darauf ein und hievt das Ding ins Wohnzimmer. Offensichtlich zieht er das eiskalt durch, und ich bin fast ein bisschen stolz auf ihn.
Das Blöde ist nur: unser Gemeinschaftsraum ist jetzt halb voll mit einem BAUM.
Lutz unkt: »Da kriegt der Begriff Zimmerpflanze eine ganz andere Bedeutung.« Er zwinkert Papa zu und verlässt uns mit den Worten, er wolle jetzt seine dichte Fichte auch mal einstielen, er könne aber in fünf Minuten wieder da sein, falls Papa noch Hilfe benötigen sollte, haha.
Papa grunzt etwas Unverständliches und begutachtet sein Werk.
Eine ausgewachsene Tanne als Zimmerpflanze, denke ich und sage entschuldigend zu Teddy: »Meine Eltern suchen eben in allem was Besonderes, da kann man nichts machen.«
Teddy guckt dem Nussknacker auf den Popo und antwortet nicht.
Indes lässt sich Mama von Papas Attacke nicht unterkriegen und beweist Humor. Sie täuscht Begeisterung vor und lobt ihn in höchsten Tönen.
So ein ausgebufftes Luder, denke ich, und beobachte gespannt, wie die Sache weitergeht.
Ich werde nicht enttäuscht, denn Mama setzt in ihrer Extravaganz noch einen drauf und behängt den Baum mit roten Kugeln und Strohsternen. An den unteren Ästen befestigt sie kleine Figuren und freut sich wie ein überengagierter Lachsack.
In Augenhöhe glotzen mich jetzt Nussknacker mit riesigen Gebissen an, Nüsse-Zermalmer, die ihre Zahnreihen blecken, als wollten sie dem Dentagard-Biber Karies-und-Baktus-mäßig ein Schnippchen schlagen.
Selbstbewusst glotze ich zurück und zeige ihnen meinen Zahn.
Erstaunlicherweise reagieren sie nicht und gucken weiterhin bedrohlich und aggressiv, denn sie sind die Chefs, das merke ich sofort, und das imponiert scheinbar allen.
Neben ihnen erhängen sich Engel, die Saiteninstrumente spielen. Kleine Zwerge mit roten Filzmützen und langen Bärten schaukeln dazu demütig und resignierend im Takt.
Das alles verbreitet eine morbide Stimmung, völlig unangemessen wie ich finde, denn es geht dabei doch um die Ankunft von Gottes Sohn, und der muss eine ganz große Nummer sein, zumindest behauptet Oma das immer.
Entschlossen raune ich Teddy zu: »Ich würde den Kerl gerne anrufen und ihn bitten, ein paar Tage früher zu kommen, wenn es geht am besten sogar noch heute, was hältst du davon?«
Teddy antwortet: »Den kann man nicht anrufen, der ist noch nicht geboren.«
»?«
»Nimm es einfach hin, Mia.«
»Haha«, erwidere ich, »der kommt doch angeblich jedes Jahr aufs Neue, das hat Oma gesagt, und alle kennen den und freuen sich auf seine Ankunft, da muss er doch schon groß sein und auch schon was erlebt haben.«
»Der kommt eben immer wieder«, erklärt Teddy gelangweilt, »das ist der Sohn von Maria«, und er zeigt auf die Krippe, die Mama aufgestellt hat.
»Und Josef«, betone ich.
»Nicht direkt«, wiegelt Teddy ab.
»Was soll das heißen?«, frage ich verständnislos und fühle mich veräppelt.
»Jesus ist das Kind von Gott, und Josef ist sein Vater.«
»?«
»Ach so, man kann zwei Väter haben wie die Kinder von Elton John und David Furnish und so ...«
»Nein, so meine ich das nicht.«
Ich überlege fieberhaft: »Dann ist Maria fremdgegangen? Wow! Da ist der Josef aber tolerant – oder ahnt der nichts oder was? Also ich käme damit jedenfalls nicht so ohne weiteres klar.«
»Gott ist zu ihr gekommen und hat gesagt, dass sie ein Kind von ihm kriegt und dass das der Erlöser sei«, sagt Teddy ungerührt.
»Das kann ja jeder behaupten«, antworte ich entrüstet, »also mich würde der mit so was nicht rumkriegen.«
Nehme mir vor, genauestens auf Sören-Wotans Wortwahl zu achten, wenn es so weit ist. Diese Erlöser-Geschichte ist mir alles andere als geheuer.
Indes klatscht Papa in die Hände und versucht nun seinerseits, das Ganze noch zu überbieten. Er schnappt sich die Lichterkette, die ich mir während des Gesprächs mit Teddy um den Leib gewickelt habe, um auch mich zum Kunstobjekt zu erhöhen und Mama in ihrer Performance beizustehen.
Er lacht mich an, rollt mich aus und versucht, die Kette um den Baum zu schwingen, doch sie gleitet immer wieder ab. Kann mir ein überlegenes Grinsen nicht verkneifen, denn ich bin es leid, dass meine Kunst immer den Ideen der Erwachsenen weichen muss.
Mama lacht und ruft Papa zu: »Guck mal, Mia gefällt es!«, doch Papa grunzt und kämpft weiter mit dem Licht und dem Baum. Mama kommt ihm nun zu Hilfe und schlussendlich habendie Nussknacker in der Aufmerksamkeit gesiegt, werden sie doch von nun an auch
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