Fuck the Möhrchen: Ein Baby packt aus Roman (German Edition)
nickt zustimmend mit dem Kopf.
Oma stellt einen kleinen Stall auf den Boden und ein paar bemalte Holzfiguren dazu.
Mit großem Ernst erklärt sie mir, die Frau, das sei die Maria, und deren Mann hieße Josef, und das seien die Eltern vom Jesuskindchen, das würde an Weihnachten geboren und sei deshalb noch nicht in seinem Bettchen, und außerdem hieße das in dem Fall Krippe.
Aha.
Opa streut eine Handvoll Stroh hinein und sagt, so würde die ganze Sache authentischer.
Verstehe nun gar nichts mehr. Wenn ich so was mache, wird das als Sauerei abgetan und sofort weggefegt.
Als ob das noch nicht genug wäre, stellt Mama nun Männer mit Stäben dazu, die sehr, sehr missmutig dreinblicken, sowie glitzernde Turban-Träger in hübschen Gewändern. Einer davon muss Schornsteinfeger sein, denn er ist sehr schwarz im Gesicht.
Mama sagt, das seien Caspar, Melchior und Balthasar, und der Melchior, der sei ein stark pigmentierter Mensch mit Migrationshintergrund, der von weit her gereist sei.
Aha.
Sie ergänzt das urbane Weihnachts-Geschwader mit Ochsen, Eseln und einer Holzgiraffe.
Sofort meckert Papa, was das denn mit der Giraffe solle, die gehöre doch gar nicht dazu.
Mama antwortet, er solle mal ein bisschen toleranter werden, die hätte sich eben verlaufen und würde dem Ganzen eine besondere und individuelle Note verleihen.
Ein Schaf, das sei in Ordnung, beharrt Papa auf seiner Meinung.
Giraffe, sagt Mama.
Schaf. Papa bleibt hartnäckig.
Giraffe, insistiert Mama.
Dann solle sie ihr wenigstens ein Fell drankleben, fordert Papa.
Aber Mama lässt sich nicht umstimmen, und Papa gibt auf und seufzt, sie mache ja eh immer, was sie wolle.
Mama ignoriert die Bemerkung und dekoriert weiter.
In der Tat ist sie schwer beschäftigt mit dem Aufstellen der kleinen Holzfigürchen und sagt zu Papa, es sei wirklich gut, Kinder zu haben, da habe man keine Zeit mehr für Depressionen.
Papa nickt zustimmend.
Sie habe aber erstaunlicherweise trotzdem welche, fügt sie an. Tröstend erwidert er, das sei sicher nur der Schlafmangel, und alle zwei Stunden zu stillen hinterließe eben seine Spuren.
Wie er das meine, horcht Mama auf, was für Spuren das denn seien, ob er sie nicht mehr attraktiv fände, oder was.
Natürlich fände er sie noch attraktiv, sagt Papa und verdreht die Augen, und wenn er ehrlich sei, ihre Brüste wären momentan wirklich schön prall, das fände er also wow.
Ach so, vorher seien sie ihm also zu klein gewesen, oder was, ruft sie entrüstet.
Nein, antwortet er, aber er könne ja jetzt wirklich sagen,was er wolle, es wäre ja eh immer das Falsche, eine klassische Lose-Lose-Situation, und er würde jetzt losfahren, um einen Tannenbaum zu kaufen.
Gerade frage ich mich noch, was ein Tannenbaum mit Mamas Brüsten zu tun hat, da schlafe ich ein. Träume davon, dass Papa aus den Ästen eines kleinen Tannenbäumchens eine Konstruktion zum Halten von Mamas Brüsten als Vorbeugemaßnahme für den offensichtlich zu erwartenden abgeschlafften Zustand nach dem Abstillen zimmern will und dass das Mama gefällt und sie die ganze Idee künstlerisch verarbeitet, indem sie sich in einer Ausstellung nackt mit genannter Konstruktion unter ihren sogenannten sekundären Geschlechtsmerkmalen als eine Art Hommage an Salvador DalÍ präsentiert.
Träume weiter, dass ihre Brüste sich langsam in Uhren verwandeln, die immer schlaffer und schlaffer werden, ja, die sich am Ende sogar schmelzend über die Astgabeln hängen, und dass das Kunstpublikum diese Performance beklatscht und bebuht, wie es sonst nur bei Auftritten von Joseph Beuys der Fall ist, und Damien Hirst sich über die Konkurrenz ärgert, und Mama inständig bittet, ihre Brüste mit Brillanten tätowieren zu dürfen.
Schweißgebadet wache ich von einem lauten Hämmern auf. Papa ist wieder da und hackt auf dem Balkon an dem Stiel eines riesigen Tannenbaums herum. Späne tanzen durch die Luft, und er schwitzt und flucht wie ein Droschkenkutscher aus einem Charles-Dickens-Roman.
Papa macht wirklich ernst, er will Mamas Giraffe toppen.
Offensichtlich scheint es sich um eine echte Ehekrise zu handeln, und ich mache mir Sorgen.
Zu allem Überfluss kommt auch noch Nachbar Lutz rüber und gibt Tipps.
»Du musst hier noch ein bisschen schräger, sag mal, ist das eigentlich Nordmann? Ich hab ja diesmal Blaufichte gekauft, die geht besser in den Ständer rein.«
Ich horche auf.
Die haben auch einen Baum.
Bei Lutz und Wiebke kriselt es also auch.
Papa geht nicht
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