Fuck the Möhrchen: Ein Baby packt aus Roman (German Edition)
sagt nun leise: »Na ja, und was ist mit dir?«
»Was soll denn mit mir sein?«, fragt Mama ungläubig.
»Meinst du, ich hätte nicht bemerkt, wie du dich immer aufbrezelst, wenn Marlon kommt?«
»MARLON?« Mama lacht. »Du bist eifersüchtig auf Marlon?«
»Ist doch nicht zu übersehen, sobald er in der Tür steht, wird deine Stimme höher, und du fährst dir auf eine bestimmte Art durchs Haar, genauso, wie du es gemacht hast, als wir uns kennengelernt haben!«
»Chris, du hast ja neuerdings einen erstaunlich guten Blick, es stimmt tatsächlich, Marlon und ich hatten mal eine Affäre«, sagt Mama und packt entschlossen ihre Brust wieder ein.
»Siehst du! Ich hab’s doch gewusst!«
»Das war vor zwanzig Jahren«, ergänzt Mama und guckt ihn schadenfroh an.
»Vor zwanzig ...? Das hast du mir aber nie erzählt.«
»Du hast nicht gefragt«, antwortet Mama trocken.
»Und, äh, ich meine, wie war er?«
Mama verschluckt sich fast.
»Wie er war? Wie war denn deine Aloe?«
»Das tut doch hier nichts zur Sache.«
»Ich möchte jetzt nicht mehr darüber reden«, erklärt Mama, doch ich sehe bei der Erinnerung an ihr Tête-à-Tête mit Marlon ein kleines Leuchten in ihren Augen.
»Ich muss mir jetzt jedenfalls erst mal klarwerden, wie das mit uns weitergeht. Ich hätte nie gedacht dass ... ja, es stimmt, bei uns ist nichts mehr los im Bett, aber ....«
Wie, nichts los im Bett, denke ich. Dabei gebe ich mir doch so viel Mühe, dass wir mindestens immer zu dritt zusammen schlafen und vor allem bis auf die Trinkunterbrechungen durchschlafen. Andauernd jammern sie über Schlafmangel, und jetzt wollen sie plötzlich, dass was los ist im Bett.
Kein Problem. Dann werde ich von nun an jede Nacht eine amtliche Baby-Performance aufführen. Ich werde sie aufmischen und zum Lachen und Weinen bringen, damit sie ganz im aristotelischen Sinne durch eine Katharsis geläutert werden und sich wieder vertragen und zufrieden sind.
Bin froh über die Entscheidung und übergebe mich aufs Kopfkissen.
War wohl doch zu viel Milch.
~
Meine Idee mit der Performance ist gescheitert.
Papa schläft nun auf dem Sofa, und Mama kann froh sein, dass wenigstens ich bei ihr bin.
Habe nachgedacht, und mittlerweile glaube ich, dass sie sich wegen mir gestritten haben. Offensichtlich bin ich ihnen zu anstrengend, denn das betonen sie ja häufig genug, und außerdem haben sie sich ein neues Baby zum Vergleich oder womöglich sogar als Ersatz ins Haus geholt.
Habe es schon gesehen, es wohnt im Schlafzimmerschrank. Wenn ich auf die Tür gucke, guckt es mich an. Immer in die Augen. Immer . Der Horror hat ein Gesicht.
Schlage ihm den Augentrick vor: Wer zuerst blinzelt, hat verloren, und ich verliere erstaunlicherweise jedes Mal. Um nicht aufzufallen, macht es alles, was ich auch mache. Unangenehmerweisehabe ich das dumpfe Gefühl, beobachtet zu werden, und kann nicht verstehen, was Leute gegen Nacktscanner haben. Ich hab einen Kackpenner im Dauerbetrieb.
Mama guckt auch in den Schrank und informiert den Knirps mit den Worten: »Das bist ›DU‹.«
Aha. Das Baby heißt ›DU‹. ›DU‹ ist so wichtig, da wird nicht mal mehr anständig konjugiert.
›DU‹ wohnt bei uns.
Im Schrank.
Wo auch sonst, sind ja alle Zimmer besetzt, das ist wohl bei Babys wie bei Schnecken. Manche haben ein Haus, manche nicht. »Warum das so ist, weiß kein Mensch, oder?«, frage ich Teddy.
»Wahrscheinlich Bausparvertrag«, vermutet er ungehalten, denn ich habe ihn aus seinem Mittagsschlaf geholt.
»›DU‹ hat einen Schrank und ich ein Bett«, sage ich verwundert zu Teddy.
»Im Urlaub hatten wir mal ein Schrankbett«, sagt Teddy trocken und räkelt sich, »der Holländer macht wohl immer Kompromisse, nicht nur beim Essen.«
Habe diesbezüglich keine Erfahrung und beobachte den Feind.
Mama sagt, das Baby sähe aus wie ich.
Scheiße, ich dachte, ich hätte Haare.
Ein Zwilling also.
Mama sagt zu mir aber immer ›mein einziger Schatz‹.
Warum wird ›DU‹ verstoßen? Gibt es ein dunkles Geheimnis? Hat es was Böses gemacht? Schubladen ausgeräumt? Mütze nicht anziehen lassen? Auf die Wickelkommode genässt? Ein Drückerchen auf den Flokati gemacht? Oder werde ich veräppelt?
Obwohl ich es nicht gutheiße, dass ›DU‹ da ist, tut es mirlangsam leid. Ich würde jedenfalls nicht im Schrank wohnen wollen. Entschlossen beschließe ich, ein liebes Kind zu werden, und räume flink die Spülmaschine aus.
Mama schreit. »Niiicht, Mia!«
Doch zu spät –
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