Fucking Berlin
gesehen zu werden. Ob er tatsächlich schon mal bei mir gewesen war, fand ich nie heraus.
Nach den Anfangsschwierigkeiten, Kontakte zu Kommilitonen zu knüpfen, hatte ich mich mit der Zeit mit einerGruppe bulgarischer Studenten angefreundet, die Informatik studierten. Sie luden mich oft in ihre Wohnung ein und wir feierten ab und zu bis in die Morgenstunden, in denen dann meist die Nachbarn wegen der lauten Musik die Polizei holten. Irgendwann kam das Gespräch auf unsere diversen Jobs. Auch die Bulgaren arbeiteten allesamt, um ihr Studium zu finanzieren. Einer stand in einer Fabrik am Fließband, ein anderer jobbte in einem Restaurant.
»Ich arbeite seit einer Weile in einem Call-Center«, log ich. »Es ist zwar langweilig, aber gut bezahlt, man kriegt zehn Euro die Stunde.«
»Klingt cool. Suchen sie noch Leute? Vielleicht könnte ich mich ja auch bewerben – die Arbeit in der Fabrik kotzt mich nämlich nur noch an«, erwiderte einer der Jungs.
Ich biss mir auf die Zunge wegen meiner Dummheit und versuchte rasch, das Thema zu wechseln, aber mein Kumpel hakte immer wieder nach.
»Ich kann fragen, ob sie noch jemanden brauchen«, sagte ich am Ende kurz und bündig und war froh, dass das Thema damit vorerst beendet war.
Nach einer Weile wurde Ladja auf die bulgarischen Kommilitonen eifersüchtig, die meisten waren schließlich männlich. Ich hatte ihn ein paar Mal zu den Partys mitgenommen, doch amüsiert hatte er sich dort kaum. »Ihr quatscht immer über euer Studium. Wie soll ich da mit reden?«, fragte er gelangweilt. Irgendwann gab ich auf und traf mich nicht mehr so oft mit den Bulgaren. Zwischen Studium und Massagesalon hatte ich ohnehin immer weniger Zeit zum Ausgehen.
Am Anfang waren meine Arbeitskolleginnen im »Ekstase« noch sehr nett zu mir. Mit Nina, die auch studierte und erst einundzwanzig war, hatte ich mich angefreundet. Wir waren auch ein paar Mal zusammen ins Kino oder shoppengegangen. Sie hatte dieselben Probleme wie ich: kaum Geld, einen arbeitslosen Freund und ein schlechtes Gewissen nach Feierabend.
Doch die Stimmung änderte sich mit der Zeit, vor allem bei einer Kollegin namens Jessica. Sie war, genauso wie ich, langhaarig und schlank, nur hatte sie nicht so viel Busen und war schon Anfang dreißig. Man lernt im Puff recht schnell, Frauen mit den Augen von Männern zu sehen. Ich war jung, hübsch und hatte noch eine eher naive Art, deswegen waren alle verrückt nach mir. Viele von Jessicas Stammgästen gingen nur noch mit mir »auf Zimmer« (wie es im Bordelljargon heißt). Das stank ihr natürlich.
Sie arbeitete seit Jahren in dem Laden, deswegen überließ Mona, die Chefin, ihr die Verantwortung, wenn sie selbst nicht da war, was ziemlich oft vorkam, weil Mona gleichzeitig noch ein Sonnenstudio betrieb. Jessica nutzte dann ihre Macht aus und wurde ekelhaft zu mir. Irgendwas machte ich in ihren Augen immer falsch. Entweder war das Zimmer nicht richtig aufgeräumt oder ich hatte vergessen, nach Feierabend das Licht in der Küche auszuschalten, oder der Kaffee, den ich gekocht hatte, war zu stark. Die anderen Frauen fanden das übertrieben, aber kaum eine traute sich, Jessica zu widersprechen.
Als sie anfing, Nina wegen unserer Freundschaft anzugreifen, distanzierte auch Nina sich plötzlich von mir. Nora, die dicke Frau, die mich am ersten Tag empfangen hatte, schien zu wissen, warum. »Fotzenneid nennt sich das«, sagte sie, während sie an einem Stück Apfelkuchen kaute. »Wirst du in diesem Beruf immer wieder erleben. Es ist einfach schwierig, wenn so viele Frauen zusammenarbeiten. Im Prinzip ist jede Kollegin auch deine Rivalin, denn die Männer müssen sich ja für eine entscheiden. Deswegen ist es so schwer, in diesem Job echte Freundinnen zu finden.«
Nora war die Einzige, die weiterhin normal zu mir war. Die anderen grüßten mich immer seltener und wechselten kaum noch ein Wort mit mir, besonders wenn Jessica anwesend war. Ich fing an, Nora richtig zu mögen, auch wenn ich sie zunächst für eine schräge Ökotante gehalten hatte. Sie liebte alles, was mit Esoterik und Meditation zu tun hatte, war also das komplette Gegenteil von mir. An der Uni beschäftigte ich mich mit Algorithmen und Datenstrukturen, Spiritualität war nie mein Ding gewesen. Irgendwann ließ ich mir von ihr aus der Hand lesen, nur so aus Jux.
»Du wirst einen guten Beruf haben und viel Geld verdienen«, weissagte sie. »Und mehrere Kinder hast du. Aber du wirst deiner großen Liebe wegen viel
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