Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fucking Berlin

Fucking Berlin

Titel: Fucking Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Rossi
Vom Netzwerk:
müssen, um damit zu überleben, und dann hätte ich mein Studium an den Nagel hängen können. Ladja rief auch ein paar Firmen an, doch die suchten jedes Mal jemanden mit dieser oder jener speziellen Ausbildung oder Erfahrung, die er nicht zu bieten hatte.
    Nach zwei Stunden Telefonieren zog ich alleine durch die Turmstraße, um meine Gedanken zu sortieren. Ich verfluchte die Tatsache, dass ich keine reiche Familie hinter mir hatte wie manch andere Kommilitonen, die mit mir in den Kursen saßen. Die meisten waren nicht klüger oder dümmer als ich, aber sie konnten sich in Ruhe ihrem Studium widmen, so dass sie wahrscheinlich vor mir fertig sein würden.
    So in Gedanken, übersah ich fast ein gelbes Schild, dasin der Fensterscheibe einer türkischen Bäckerei hing. »Aushilfe gesucht«, stand dort in großen, fast kindlichen Buchstaben. Kurzentschlossen betrat ich den Laden.
    An der Theke stand ein Mädchen mit großen, schwarzen Augen. Als ich sie nach der freien Stelle fragte, rief sie jemanden an. Wie sich herausstellte, war die Chefin ihre Tante. Überhaupt waren alle Frauen, die dort arbeiteten, miteinander verwandt. Alles war ordentlich und sauber, die Plastiktische frisch gewischt und der Duft von frischen Brötchen erfüllte den Raum. Allein der Gedanke, zu arbeiten, ohne mich ausziehen und antatschen lassen zu müssen, erfüllte mich mit Freude. Das Vorstellungsgespräch lief auch glatt, obwohl ich in der Backwaren-Branche keinerlei Erfahrung hatte. Am darauffolgenden Montag sollte ich zum Probetag erscheinen.
    Ich war zunächst euphorisch, aber nach ein paar Stunden kamen mir Zweifel. Mit den Arbeitszeiten dort, meistens am Vormittag, hätte ich höchstens einen Kurs in der Uni besuchen können. Andererseits: Wäre es nicht vielleicht sogar besser, diesen einfachen, aber seriösen Job zu machen und die Uni ganz sausenzulassen?
    Am nächsten Tag stand ich im Foyer des Mathematik-Gebäudes und schaute mir die jüngsten Klausurergebnisse an. Ich hatte in der Analysis-Prüfung eine der besten Noten geschrieben, obwohl ich wegen der Arbeit im Massagesalon kaum hatte lernen können. In dem Moment fielen mir die Worte des jungen Mannes im »California« ein: »Viele versacken und sind irgendwann zu alt, um was Vernünftiges zu machen.«
    Ich stellte mir vor, wie mein Leben wäre, wenn ich die Uni verlassen würde: Wenn ich Pech hatte, blühten mir ein langweiliger und mäßig bezahlter Job, vielleicht ein paar Kinder, Abende vor der Glotze und Ferien in der Gartenlaube.Keine Weltreisen, keine intellektuellen Ansprüche, ständig Geldsorgen.
    Noch am selben Tag rief ich in der Bäckerei an und teilte mit, dass ich nicht zur Verfügung stehen würde. Die Chefin sagte, dass sie gerne mit mir gearbeitet hätte, doch ich war mir sicher, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte.
    Was nichts daran änderte, dass ich nur noch dreißig Euro im Portemonnaie hatte, und auf dem Konto sah es auch nicht besser aus. Und bevor ich noch mal richtig darüber nachgedacht hatte, blätterte ich schon wieder Zeitungen durch auf der Suche nach den Puff-Annoncen. Schwierig war es nicht, die Suchanzeigen füllten jeweils bis zu zwei Zeitungsspalten. Ich erinnerte mich an mein erstes Mal, wie viel Angst ich vor jenem Anruf gehabt hatte, und musste lächeln. Dabei waren seitdem nur ein paar Monate vergangen.
    Die Vorstellung, mit mehreren Männern am Tag rummachen zu müssen, störte mich inzwischen nicht mehr. Ich wusste ja, dass es meist nur um eine halbe Stunde ging, dann waren die Kerle weg und ich hatte mein Geld. Dass ich dafür mit Fremden Sex haben musste, nahm ich in Kauf, die andere Alternative, nämlich ohne Geld dazustehen, fand ich schlimmer. »Du musst lernen, abzuschalten. Wenn du mit dem Gast poppst, bist du eben nicht Sonia, sondern Nancy, so als ob du deinen Körper vorübergehend verlassen würdest«, sagte ich mir und fühlte mich mehr und mehr davon überzeugt, dass das tatsächlich möglich war.
    Der Laden, den ich mir diesmal ausgesucht hatte, lag im runtergekommenen Wedding, in einer trostlosen Straße mit billigen Eckkneipen, Ramschläden und unsanierten Häusern, in denen vor allem Ausländer und arme Studenten wohnten. Der Puff befand sich im Hinterhof eines bröckelndenGebäudes. Er lag im Parterre und war viel schäbiger als das »Ekstase«. Im Aufenthaltsraum vom »Club One«, so hieß das Bordell, gab es nichts anderes als eine durchgesessene bunte Couch und zwei Stühle, die ziemlich mitgenommen

Weitere Kostenlose Bücher