Fucking Berlin
taten ihm sichtlich gut. Er trank und kiffte nicht mehr so viel, sondern stand früh auf und fuhr mit dem Zug in das kleine Dorf. Nur vor dem Einschlafen rauchte er noch einen Joint.
Sein Arbeitgeber war natürlich ein früherer Freier von ihm. Er hatte ein altes Landhaus, fünfzig Kilometer außerhalb der Stadt, das er mit seinem Partner liebevoll instandgesetzt hatte. Ich war nie dort, musste mir aber unzählige Male die Beschreibungen von Ladja und Tomas anhören. Alte, wertvolle Möbel gebe es dort, Fresken an den Wänden und einen sogenannten Entertainment Room mit einem Plasmafernseher und Dolby-Surround-Sound. Allein dasBadezimmer sei so groß wie unsere Wohnung, nur dass es darin einen Jacuzzi und eine Regenwalddusche gebe. Die ganze Pracht sei umgeben von mehreren Hektar Privatwald.
Bei all dem Reichtum war der gute Mann offenbar keineswegs geizig. Offiziell wohnten in dem Paradies nur er und sein fester Freund, doch eigentlich war jeder willkommen, ständig wurden Partys gefeiert. Die beiden waren seit Jahren zusammen, hatten aber eine offene Beziehung und eine Vorliebe für jüngere Männer, so dass oft einer von ihnen einen Jungen aus dem Kiez abschleppte, mit dem sie sich dann gemeinsam vergnügten. All das schien ohne Eifersucht, Lügen und Streitereien zu geschehen und ich bewunderte sie deswegen aus der Ferne. Sie waren so anders als die Spießer im Puff, die mit mir rumvögelten und dann das Wochenende mit der Ehefrau in der Gartenlaube verbrachten.
5
CHARLOTTENBURG –
EIN COOLER NEW YORKER
Obwohl Ladja mit seiner Arbeit zufrieden war, konnten wir von dem Geld nicht leben. Oft arbeitete er nur vier oder fünf Stunden am Tag. Ich war außerdem zu stolz, um mich von meinem Mann finanzieren zu lassen, und so war der Weg zurück ins Rotlichtmilieu nur ein kleiner, vertrauter Pfad, den ich ging, ohne lange zu zögern. Ich hatte inzwischen mein zweites Semester angefangen und vor mir lagen richtig schwere Prüfungen: Numerik und Programmierung, die Säulen meines Fachs. Da wollte ich auf keinen Fall versagen, und um das Ganze konzentriert angehen zu können, brauchte ich finanzielle Sicherheit.
Die dicke Stella aus dem »Ekstase« hatte mir einen wichtigen Tipp gegeben. Sie hatte jahrelang Erfahrungen in Puffs und Massageläden gesammelt und wusste, wo man mit dem geringsten Zeitaufwand am meisten verdienen konnte. Ihrer Meinung nach waren die Night Clubs am besten, weil man dort an den Getränken mitverdiente. Wenn ein Mann einer Frau Sekt oder Champagner ausgab, bekam sie sogenannte Trinkprozente, so dass man nicht viele Nummern zu schieben brauchte, um auf eine gute Summe zu kommen.
Hoffnungsvoll rief ich in einem bekannten Club in Charlottenburg an. Ich hatte von ehemaligen Kolleginnen gehört, dass die Gäste dort besonders stilvoll und wohlhabendseien. Die Preise für die Getränke und für den Sex waren angeblich hoch und ungepflegte oder abgerissene Gestalten ließ man gar nicht erst rein. Sogar Hollywoodstars sollten dort gewesen sein. 3
Als ich mich zu einem Vorstellungsgespräch dort einfand, spürte ich von dem Prunk allerdings wenig. Von draußen war lediglich ein kleines, leuchtendes Schild zu sehen: »L’amour«. Es war sechs Uhr abends und nur die Barkeeperin und die Putzfrau waren da, vom Chef keine Spur. Der Raum war eher klein, links der Bar stand eine weiße Ledercouch, daneben ein runder Glastisch, rechts davon ein Zigarettenautomat und eine Palme, deren vom Rauch vergifteten Blätter halbtot nach unten hingen. Eine Treppe führte nach unten zu sechs Zimmern von der Art, die man in Hotelbewertungen als »einfach, aber sauber« bezeichnen würde. In jedem Raum befanden sich ein Bett, ein Waschbecken und ein Glastisch.
Bereits am nächsten Tag fand mein Debüt im »L’amour« statt. Obwohl ich kein völliger Neuling in der Branche war, hatte ich ein mulmiges Gefühl, weil in Nachtclubs ganz andere Regeln als in Tagesläden galten, allein schon deswegen, weil man mit den Gästen trinken und quatschen musste, bevor sie sich eventuell dafür entschieden, Sex mit einem haben zu wollen.
Ladja hatte ich erzählt, dass ich in dem Lokal für die Getränke zuständig sei und auf keinen Fall auf Zimmer gehen würde. Ob er mir das glaubte oder nur so tat, weiß ich nicht – wir sprachen nicht weiter darüber.
Ich war für acht Uhr abends einbestellt. Als Erstes ging ich in den Umkleideraum, in dem schon mehrere Mädchen standen, fast wie vor dem Turnunterricht – nur dass sie
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