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Fucking Berlin

Fucking Berlin

Titel: Fucking Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Rossi
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verstanden sie kein Wort. Tomas arbeitete zwei Nächte in der Woche in einer Kneipe und Ladja half dort beim Aufräumen und bekam ein paar Euro dafür.
    Das Problem war, dass Tomas Ladja regelrecht mit Fragen bombardierte, was meine Arbeit anging, und so fing Ladja an, Verdacht zu schöpfen. Ich weiß nicht, ob er je darüber nachgedacht hatte, was ich als Empfangsdame in dem Massagesalon eigentlich genau machte. Er hatte nie nachgefragt. Entweder ist er total blauäugig und vertraut dir voll, oder aber er will es gar nicht so genau wissen, hatte ich mir immer gedacht. Nun aber interessierte er sich zunehmend für meine Arbeit.
    Eines Abends knallte es richtig. Während ich im Bad war, wollte Ladja Zigaretten aus meiner Handtasche holen und fand stattdessen Kondome. Normalerweise ließ ich sie immer im »Club One«, doch an dem Tag hatte ich vergessen, sie rauszuholen.
    Als ich aus dem Bad kam, zitterte er vor Wut. »Was ist das?«, fragte er und seine Augen waren eiskalt. Er schmiss das Gummi auf den Boden und verließ den Raum ohne ein weiteres Wort. Ich blieb allein mit Tomas und brach in Tränen aus. Ich versuchte gar nicht erst, es abzustreiten, und erzählte Tomas jedes Detail. Es war wie eine Befreiung, die Worte flossen wie Regen nach einem Gewitter, endlich hörte mir jemand zu. Nur eine gute Idee, die hatte Tomas auch nicht.
    »Wieso verdienst du dein Geld nicht anders?«, fragte ermich die ganze Zeit. Er konnte einfach nicht verstehen, dass man von einem Nebenjob in der Kneipe für sechs Euro die Stunde nicht leben konnte, wenn man jeden Tag für die Uni lernen musste und mit einem Mann zusammen war, dessen Leben aus Kiffen und Saufen bestand. Ich konnte nicht mehr aufhören zu schluchzen.
    »Ach, komm, man findet immer einen Weg«, versuchte er mich zu beruhigen, doch überzeugt schien er davon nicht. Er selber stolperte schließlich auch so durchs Leben, immer abhängig von irgendwelchen Frauen oder von inoffiziellen Freiern, die »gute Kumpels« genannt wurden. Nachdem er eine Woche bei uns gewohnt hatte, tauchte einer davon wieder auf, ein alter Bekannter aus Hamburg. Er arbeitete als IT -Kaufmann in Frankfurt und war nur am Wochenende in Berlin, so dass er Tomas bei sich einziehen ließ. Tomas sollte dafür angeblich nur die Pflanzen gießen, aber als ich ihn einmal besuchte, fand ich in der ganzen Wohnung nur einen einzigen Kaktus, der auf dem Fernseher stand. Trotzdem ließ ich mir nichts anmerken, denn ich wollte Tomas nicht beleidigen. Ich mochte ihn und es war mir egal, dass er ein heimlicher Stricher war. Ich wusste selbst, wie man sich fühlte, wenn man aus Not die Hose runterlassen musste.
    Ich ging nie wieder im »Club One« arbeiten, so billig wollte ich mich nicht mehr verkaufen, außerdem musste ich Ladja versprechen, mein Geld auf andere Weise zu verdienen. Allerdings hatte ich keinen echten Alternativplan, was die Finanzierung unseres Unterhalts anging. Zunächst ließ ich mir mal wieder hundert Euro von meinem Vater schicken und konzentrierte mich auf die Uni – genug zu lernen hatte ich ja. Ich beteiligte mich sogar ein paar Mal an einer AS t A -Versammlung, obwohl ich Politik generell eher langweilig fand. Manche der Studenten dort waren aber echt engagiert und dachten, man könnte wirklich etwas ändern,zum Beispiel die Tatsache, dass die Hochschulen immer weniger Geld zur Verfügung hatten. Wenn ich an solchen und ähnlichen Diskussionen teilnahm, vergaß ich für eine gewisse Zeit, dass ich selbst mehr als genug finanzielle Probleme hatte und mich eigentlich nicht auch noch um das Budget der Uni kümmern konnte.
    Ladja beruhigte sich nach und nach. Erst redete er nur halbherzig wieder mit mir, später wurde er sanfter und gab zu, dass ich mich auch wegen ihm in diese Situation gebracht hatte. Eines Nachts kam er mit einer guten Nachricht vom Kiez zurück: Er hatte endlich einen Job. Er hatte einen alten Freund getroffen, bei dem er vor Jahren mal gewohnt hatte. Der Mann hatte in Brandenburg einen alten Hof restauriert; dort würde er demnächst aushelfen: Tiere füttern, Ställe sauberhalten und so weiter. Als er davon erzählte, leuchteten seine Augen. Ladja war auf dem Land groß geworden und ich hatte oft den Eindruck, dass er die Natur vermisste. Jedes Mal wenn wir einen Hund auf der Straße sahen, streichelte er ihn; er hatte wirklich einen Draht zu Tieren. Und tatsächlich: Nach ein paar Wochen auf dem Bauernhof war er wie ausgewechselt. Die frische Luft und die Pferde

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