Fucking Berlin
davon zu überzeugen, alles zu machen, was sie wollten. Zum Beispiel fragten sie immer wieder nach Analsex. Nach den Zeiten im Wedding hatte ich mich allerdings entschieden, mir von solchen Leuten nichts mehr bieten zu lassen. Wenn man ihnen mit einer genauso großen Schnauze begegnete, kam man mit ihnen eigentlich gut klar und sie verzichteten auf ihre Extrawünsche.
Ali, einer meiner Stammgäste, versuchte grundsätzlich, immer zwei Euro weniger zu bezahlen.
»Das Geld brauche ich für die Fahrkarte nach Hause«, behauptete er mit ernster Miene.
»Du wohnst doch um die Ecke, du Pfeife«, antwortete ich jedes Mal. »Du kannst auch laufen.«
Dann fing das immergleiche Palaver an: Wir seien so teuer, er sei ja so arm, er habe Familie – und so weiter.
»Du kannst woanders hingehen, wenn du es dir hier nicht leisten kannst«, schoss ich dann zurück. »Oder du holst dir selbst einen runter. Das ist kostenlos. Wenn ich mir einen Döner hole, kriege ich auch keinen Rabatt.« Meist tat ich an dieser Stelle des Disputs schon einen Schritt Richtung Tür.
Am Ende seufzte er, zog die zerknitterten Scheine aus der Jackentasche, zählte sie langsam und entschied sich für eine halbe Stunde Tantra-Massage und zusätzlich dafür, einen runtergeholt zu bekommen – machte zusammen fünfzig Euro. Je nach Laune und Sympathie durfte er mich dann auch ein bisschen anfassen. Generell war es so, dass jedeFrau für sich selbst entscheiden konnte, wie weit der Gast sie befummeln durfte. Man musste immer ein Gleichgewicht finden zwischen zu viel erlauben und alles ablehnen. Wenn Ali zum Beispiel zu weit ging, wies ich ihn mit einem schroffen »Pfoten runter, bitte« zurecht. Nach einigen Treffen war das allerdings nicht mehr nötig – er lag schließlich nur noch auf der Pritsche wie ein unschuldiger Hundewelpe und ließ sich von mir kneten.
»Ich bin total verrückt nach dir«, gestand er mir jedes Mal am Ende. »Wenn ich dein Mann wäre, würde ich nie zulassen, dass du hier arbeitest.«
»Ich bin unabhängig und wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert«, konterte ich dann. »Ich tue, was ich will, und verdiene mein eigenes Geld.«
Er war es nicht gewohnt, dass Frauen das letzte Wort hatten, und kippte jedes Mal wieder aus den Latschen, wenn ich sein Machogetue parierte.
Nach einer Weile in der »Oase« hatte sich alles so gut eingespielt, dass ich quasi zur Familie gehörte. Es sah dort ohnehin meistens aus wie in einem Freizeitzentrum für Frauen und nicht wie in einem Puff.
Das Erste, was jedem Besucher sofort auffiel, war, dass es immer angenehm nach Essen roch. Mindestens eines der Mädels war immer in der Küche und brutzelte irgendetwas, manchmal kochten wir auch alle zusammen. Einmal kauften wir sogar einen Braten und ließen ihn im Ofen garen, bis die ganze Wohnung wie die Küche meiner Oma zur Adventszeit duftete. Kurz vor Feierabend wurde dann gegessen, samt Salzkartoffeln, Sauerkraut und Buttergemüse.
Unsere Spiele- und Musiksammlung war auch nicht zu verachten. Von Rammstein bis Juliane Werding und Xavier Naidoo war alles enthalten. Die Highlights waren aber diedrei Videospiele im Aufenthaltszimmer und die Skip-Bo-Karten, und nach ein paar Monaten brachte Mandy von zu Hause auch noch ihren alten Fernseher mit.
Zum Alltag gehörte es natürlich auch, über die eine oder andere Frau zu lästern. Auch wenn es niemand offen zugegeben hätte: Die Neuen waren dabei unser Lieblingsziel.
Dascha, Veras beste Freundin, fing im Frühling an, für uns zu arbeiten. Sie hatte, wie Vera, ein Kind von einem Mann, der sie verlassen hatte, fand in Estland keinen Job und war mangels Alternativen illegal nach Deutschland gekommen. Dass sie zum Überleben anschaffen gehen müsste, war ihr ziemlich klar gewesen.
Sie und Vera teilten sich eine Zweizimmerwohnung. Sie hatten beide keine Krankenversicherung, waren nicht gemeldet und hatten ständig Schiss vor einer Razzia, obwohl es, wie Anja uns immer versichert hatte, in der »Oase« seit Jahren keine Kontrollen gegeben habe, da ihr Freund »gute Kontakte« zur Behörde habe. In anderen Läden, besonders in Nachtclubs, gab es hingegen ständig Razzien.
Eines Tages rannte Dascha aber kreischend in die Küche, wo wir alle versammelt waren, um Pudding zu machen. »Die Bullen, die Bullen!«, brüllte sie und zerrte die verblüffte Mandy ans Fenster. Vor dem Haus stand tatsächlich ein weiß-grünes Auto.
»Ich habe es immer gesagt«, flüsterte Mandy mir ins Ohr. »Von wegen
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