Fucking Berlin
uns mit Kommilitonen traf, um zusammen die Hausaufgaben zu erledigen. In der Lerngruppe war auch ein chinesischer Student, der aufgrund seines Fleißes auffiel. Er hatte fast kein Geld, lebte in einem winzigen Zimmer im Studentenwohnheim und büffelte den ganzen Tag. Dafür bekam er allerdings fast nur Einsen.
»Vielleicht müsste ich es auch so machen: weniger arbeiten und mehr Zeit über den Büchern verbringen«, sagte ich mir manchmal, wenn ich ihn sah, obwohl ich wusste, dass so ein asketisches Leben nichts für mich war.
Während ich meinen anstrengenden Spagat zwischen Hörsaal und Puff hinlegte, für Klausuren lernte und sexuelle Wünsche bediente und ab und zu mit Leuten aus der Uni oder aber aus der »Oase« abends wegging, bastelte Ladja tagelang an einer Brücke für die Modelleisenbahn herum. Er glaubte tatsächlich daran, an einer Ausstellung teilnehmen zu können und dafür Geld zu bekommen.
»In Hamburg gibt es so was, da kommen sogar Besucher aus dem Ausland«, schwärmte er. »Es wäre geil, wenn man so was Großes auch in Berlin organisieren könnte, eine Halle mieten und dort mehrere Landschaften aufbauen. Die Alpen, den Grand Canyon – ich habe so viele Ideen, ich bräuchte nur jemanden, der mir für den Anfang etwas Geld leiht.«
Ich musste lächeln: Ladjas Naivität berührte und erschreckte mich gleichermaßen. Er konnte den ganzen Tag mit Träumereien verbringen – ich aber war für die Realitätzuständig. Unsere Rollenverteilung war so gesehen ziemlich klar und ich fragte mich, ob er je erwachsen würde.
Trotzdem hatte ich mir lange Zeit eingebildet, dass alles in Ordnung sei. Ich hatte Ladja geheiratet und gedacht, er sei die Liebe meines Lebens. Nun aber spürte ich zunehmend Zweifel. Der Sex war immer noch gut, doch es war nicht mehr so wie am Anfang, als mein Körper sich nach ihm sehnte und ich ein Kribbeln in den Zehenspitzen fühlte, wenn Ladja am Horizont auftauchte. Manchmal dachte ich jetzt, ich könnte ihn auch mit einem Kunden aus der »Oase« tauschen, einem von den Typen, die hübsch aussahen und mich nett behandelten.
»Nach einer Weile ist es halt nicht mehr so prickelnd«, sagte meine Freundin Jule am Telefon. »Ist mir mit allen meinen Freunden passiert.«
»Aber das ist doch traurig, oder?«, meinte ich. »Was passiert dann in zehn Jahren? Er schnarcht immer lauter, schläft auf der Couch und schaut sich vor dem Einschlafen einen ungarischen Pornofilm an? Manchmal ist es jetzt schon geiler, wenn ich mit einem Gast ins Bett gehe. Gerade heute kam ein junger Mann, mit dem ich ein ganz gutes Feeling hatte, und mit ihm hatte ich einen Superorgasmus. Mit Ladja klappt das oft nicht mehr – ist das nicht schlimm?«
In der Uni lief auch nicht alles glatt. Die Statistik-Klausur bestand ich gerade mal so, mit der Note vier, was mich ärgerte. Als ich zur Klausureinsicht ging, hatte der Assistent kaum tröstende Worte für mich.
»Das sind ganz einfache Sachen, die Sie da falsch gemacht haben. Anscheinend haben Sie sich nicht gründlich genug vorbereitet.« Ich schwieg betroffen. »Ich würde mich an Ihrer Stelle mehr mit dem Stoff beschäftigen, ansonsten enden Sie wie diese Leute, die planlos durch das Studiumstolpern und erst nach vier Jahren mit miesen Noten gerade mal das Vordiplom schaffen.«
Ich ging raus, zündete mir eine Zigarette an und dachte nach. Du arbeitest im Puff, um studieren zu können. Aber anscheinend gelingt dir dein Studium nicht besonders gut, ging es mir durch den Kopf. Warum machte ich denn das alles? Der ersehnte feste Job nach dem Diplom schien mir plötzlich alles andere als sicher – arbeitslose Akademiker gab es genug. Was, wenn ich also völlig umsonst die besten Jahre meines Lebens im Bordell zubrachte?
Inzwischen war es so, dass ich jeden Morgen beim Aufwachen etwas Großes erwartete, etwas, das meine Existenz entscheidend verändern würde. Doch ein Tag verging und der nächste kam, ohne dass etwas passierte. Das Glück traf mich dann ausgerechnet an Ladjas Geburtstag, so überraschend und schön wie ein Sommersturm, der einen im Kleid erwischt.
7
MILAN –
DIE GROSSE LIEBE
Ladjas Geburtstage wurden immer groß angekündigt und großzügig gefeiert, so wollte es die polnische Tradition. Zu einem gelungenen Fest gehörten dabei eigentlich nur zwei Dinge: jede Menge Alkohol und die richtigen Gäste.
Im Juli wurde Ladja fünfundzwanzig. Wir standen gemeinsam auf und frühstückten im Café um die Ecke. Ich schenkte ihm eine
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