Fucking Berlin
tatsächlich wie ein getretener Hund und noch am selben Abend rief er mich an und entschuldigte sich. Er bettelte regelrecht darum, mich am folgenden Samstag in seiner Wohnung sehen zu dürfen. Ich sagte zu, weil er nicht schlecht zahlte: hundert Euro, die ich mit niemandem teilen musste, und dies alles für ein bisschen an meiner Muschi fummeln und sich von ihm den Po fotografieren lassen. Die meiste Zeit quatschten wir eh nur.
Als Wolfgang mich aus der Straßenbahn aussteigen sah, platzte er fast vor Freude. Er trug ein graues Sakko und eine rote Krawatte und seine Haare hatte er mit Gel nach hinten gekämmt.
»Ich habe gedacht, dass ich dich nie wiedersehe! Ich bin so ein Idiot!«, sagte er zerknirscht. Als wir in seine Wohnung traten, merkte ich, dass alles picobello sauber war, als sei gerade eine Putzkolonne durch die Räume gegangen. Lavendelduft lag in der Luft und in der Vase auf dem Tisch standen weiße Tulpen.
»Meine Frau hat saubergemacht. Sie wusste, dass du kommst«, sagte er und zwinkerte mit dem linken Auge. Sabine, seine Ehefrau, war für Wolfgang schon seit längeremnur noch eine gute Freundin und wusste Bescheid über seine Puffbesuche. Später, bei rotem Cabernet Sauvignon und Opernliedern von Puccini, erzählte er mir zum tausendsten Mal, wie er damals Tanja, seine weißrussische Liebe, aus Eifersucht verloren hatte. Tanja arbeitete in einer billigen Begleitagentur in Berlin, wo eine ganze Stunde nur neunzig Euro kostete, wovon die Frauen wiederum nur vierzig bekamen. Er hatte sie immer wieder zu sich nach Hause bestellt und sich irgendwann in sie verliebt – in eine Frau, die vierzig Jahre jünger war als er und in Minsk einen Mann und drei Kinder hatte. Tanja hatte natürlich keinerlei Gefühle für ihn, aber mit der Zeit schätzte sie seine Gesellschaft, weil er immer so nett zu ihr war und sie nicht wie eine billige Nutte behandelte. Wolfgang besuchte Tanja sogar in ihrer Heimat und lernte ihre ganze Familie kennen, und wenn sie in Berlin war, ging sie mit ihm und seiner Frau ins Theater. So eine Konstellation war natürlich eher die Ausnahme – die meisten Ehefrauen wussten, zumindest offiziell, nichts von den Bordellbesuchen ihrer Männer.
So entwickelte sich dieses multikulturelle Verhältnis immer weiter, bis Wolfgang auf Tanjas andere Kunden eifersüchtig wurde und nachts deswegen nicht mehr schlafen konnte. Eines Tages fuhr er im Alkoholrausch zu ihrer Agentur und machte dort so ein Theater, dass die Nachbarn die Bullen riefen. »Ihr Scheiß-Zuhälter, ich lasse euch alle von der Volkspolizei verhaften und nach Hohenschönhausen schicken!«, brüllte er und schmiss alles um, was sich in seinem Weg befand. Tanja, die zu dem Zeitpunkt gar nicht anwesend war, bekam von der Aktion erst mal nichts mit, ihre Kolleginnen erzählten ihr jedoch später alle Details und fragten sie, wie sie so dumm sein konnte, sich derart eng mit einem Freier einzulassen, dazu noch mit einem alten Bekloppten.
Wie es dann mit ihr weiterging, erfuhr er aus einem Brief, den sie ihm aus Minsk schickte. Der Besitzer der Begleitagentur, ein Araber mit dubioser Vergangenheit, hatte wegen des Polizeibesuches tierischen Stress mit dem Gesetz bekommen und musste mit den ganzen Mädchen umziehen. Auf Tanja war er natürlich höllisch sauer und schmiss sie raus, so dass sie nach Hause fahren und ihrem Mann erklären musste, warum sie ihren gutbezahlten Job in der Reinigungsfirma in Berlin verloren hatte …
»Dachte er wirklich, dass sie hier putzt?«, fragte ich erstaunt.
Wolfgang schüttelte den Kopf.«Weißt du, ich denke, Berlin müsste dank der ganzen russischen Mädchen, die hier angeblich alle sauber machen, schon längst glänzen wie ein Spiegel.«
Ich lachte.
Wolfgang hätte natürlich versuchen können, seine Tanja zurückzugewinnen, indem er ihr eine Menge Geld bot. Es hätte ihn vermutlich nur die Hälfte seines bescheidenen Vermögens gekostet, das er in vierzig Jahren Arbeitsleben mühsam zusammengespart hatte. Aber Tanjas Ehemann hatte ihr irgendwann verboten, in Deutschland zu arbeiten – die Kinder würden sie zu sehr vermissen. Seither suchte Wolfgang Trost in den diversen Berliner Bordellen.
»Davon gibt es ja zum Glück mehr als genug«, sagte er. »Das ist das Gute an der Wiedervereinigung – dass man sich Sex jetzt offen kaufen kann. In der DDR ging so was ja nur ganz heimlich. Als ich 1989 meine hundert Mark Begrüßungsgeld bekommen habe, habe ich die Kohle sofort in einem Puff in
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