Fucking Berlin
der Turmstraße verfickt«, erzählte er stolz.
Am Ende des Sommersemesters hielt ich endlich mein Vordiplom in der Hand. Meine Noten waren ziemlich gut, sogarin den schwierigsten Fächern wie Differentialgeometrie und Kontrolltheorie hatte ich eine Zwei bekommen. Meine Familie gratulierte mir zuerst, Mama rief an und erzählte mir, wie stolz sie alle auf mich seien. Auch Ladja zeigte ausnahmsweise Interesse an meiner studentischen Karriere. Am Wochenende lud er Freunde zum Essen ein und kochte ein aufwendiges Menü mit mehreren Gängen, darunter Schweinebraten mit Knödeln, eins meiner Lieblingsessen. Die Frauen und viele meiner Stammgäste in der »Oase« gratulierten mir ebenfalls, sogar Torsten, der neue Chef, schüttelte mir die Hand.
»Es ist nicht so üblich, dass aus einem Mädchen etwas wird in unserem Milieu. Alle labern ununterbrochen von ihren großen Plänen und betonen, dass sie den Job nicht mehr lange machen werden. Doch dann triffst du sie nach zehn Jahren wieder und sie gehen immer noch anschaffen. Nur eine von tausend schafft den Absprung. Wer weiß, vielleicht bist du das«, meinte er trocken.
Trotz aller Komplimente hielt sich meine Freude in Grenzen. Ich war nach wie vor eine mittellose Studentin und musste mit fremden Männern poppen, um über die Runden zu kommen. Doch noch mehr störte mich eine ganz andere Sache: Immerhin hatte ich mein Kind auch deswegen wegmachen lassen, um unbehelligt weiterstudieren zu können. War es das wirklich wert gewesen?
Zum Glück gab es die »Oase«. Obwohl mein Verdienst sich in Grenzen hielt, waren wir dort mit der Zeit wirklich zu einer Art Familie zusammengewachsen. Jeden Tag freute ich mich, dorthin zu gehen, die Mädels zu sehen, mit ihnen Karten zu spielen und gemeinsam zu essen. Obwohl manche Kunden nach wie vor eklig waren, hatte ich inzwischen auch einige angenehme Stammgäste. Und bevor es langweilig wurde, hatte Lena immer eine schräge Geschichte parat.
Meistens ging es darum, wie ihre Clique das Berliner Nachtleben aufmischte, im Stil von »Der alte Vogel hat meinen Arsch angegrabscht, dann habe ich eben mit seinem Gesicht den Boden gewischt, er hat es nicht anders verdient«.
Am besten verstand ich mich aber immer noch mit der estnischen Vera. Obwohl sie nie eine höhere Schule besucht hatte, war sie schlau und neugierig. Wenn ich meinen Uni-Ordner dabeihatte, schaute sie gerne rein und fragte mich, was dieses und jenes bedeutete, auch wenn sie fast nichts davon verstand. Sie hatte für jeden von uns ein offenes Ohr, egal wie schlecht es ihr selber ging.
Eines Abends im Sommer saß ich mit ihr alleine im Laden. Der Tag war mies gewesen, die anderen hatten früher Feierabend gemacht und waren zu einer Strandbar an der Spree gefahren. Um uns die Zeit zu vertreiben, fingen wir an, Kirschbowle zu trinken, und hörten dazu Robbie Williams und danach 2 raumwohnung. Irgendwann tanzten wir durch den Raum. Und saßen schließlich erschöpft und atemlos auf der Couch.
Plötzlich fing Vera an zu weinen. »Sorry – wenn ich saufe, kommt so vieles wieder hoch«, entschuldigte sie sich.
»Manchmal muss es einfach raus«, sagte ich und reichte ihr ein Taschentuch. »Was ist denn?«
»Ich habe abgetrieben, vor drei Monaten. Ich war von meinem Freund Hassan schwanger, aber ich konnte das Kind nicht bekommen. Wir sind ja nicht verheiratet.« Sie hatte aufgehört zu heulen und schaute aus dem Fenster. Es war eine wunderschöne, warme Sommernacht.
»Wieso heiratest du ihn nicht?«, fragte ich.
Vera lachte nur. »Ich denke, eher würde seine Sippe mich umbringen, als so etwas zuzulassen. Ich bin keine Muslima und arbeite als Hure. Du kennst die Araber nicht, die leben in ihrer Welt und haben ganz strenge Regeln.«
Von unten klopften die Nachbarn an die Decke – die Musik war ihnen zu laut. Ich stellte sie leiser.
»Hassan hat eine Verlobte im Libanon, die er früher oder später heiraten muss«, erzählte Vera weiter. »Er sagt, dass das nichts mit uns beiden zu tun habe – die Familie hat sie ausgesucht und er wird ihr Mann werden, um seine Ruhe zu haben, doch ficken wird er sie auf keinen Fall. Manchmal denke ich aber, er lügt. Er wird sie doch poppen, damit er ein eheliches Kind bekommt.«
Um Mitternacht waren wir nach einigen Whisky-Cola so blau, dass wir kaum noch stehen konnten. Ich hoffte nur, dass kein Kunde mehr auftauchte.
»Weißt du, was richtig schlimm ist? Die Schlampe weiß von mir!«, brüllte Vera. »Sie weiß es und toleriert
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