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Fucking Berlin

Fucking Berlin

Titel: Fucking Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Rossi
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der mich neulich zum x-ten Mal gefragt hatte, wann wir endlich unsere Mietschulden begleichen würden.
    Noch am selben Abend telefonierte ich mit Lorraine, die nicht in Freiburg, sondern im Urlaub auf Gran Canaria war. »Na klar, die langhaarige Studentin.« Sie erinnerte sich und freute sich, von mir zu hören. In ihrem Laden herrschte akuter Frauenmangel, umso besser also, wenn ich noch eine Freundin mitbringen würde.
    An einem Samstag Anfang November trafen Lena und ich uns am Ostbahnhof. Unser »Chauffeur« stand schon da. Ich hatte seine Anzeige auf der Internetseite einer Mitfahrzentrale gelesen und nur kurz mit ihm telefoniert, wusste also nicht genau, was uns erwarten würde. Aber dreißig Euro bis Stuttgart war billig genug, um nicht zu viele Fragen zu stellen.
    Lena hingegen bekam vor Schreck den Mund nicht zu. Zugegeben, der VW -Bus war nicht gerade eine Limousine und Henning, der fünfunddreißigjährige Student, der uns fahren sollte, war ziemlich dick und machte einen tollpatschigen Eindruck, aber wir hatten kaum Alternativen, da wir noch am selben Abend in Freiburg erwartet wurden.
    Nachdenklich schaute ich aus dem Fenster, als wir die Stadt hinter uns ließen. Ich hatte Lorraine seit meiner erstenZeit in Freiburg nicht mehr gesehen und es schien mir wie ein Wunder, dass sie mich noch mal in dem Laden haben wollte, aus dem ich damals Hals über Kopf mit Fieber abgehauen war. Ich zündete mir eine Zigarette an, nahm einen Zug und fragte unseren verträumten Fahrer erst dann, ob das überhaupt gestattet sei.
    »Hmm, eigentlich rauche ich nicht, aber, na ja, ich schätze, wenn ihr beide möchtet …«, stotterte er.
    »Ich halte es nicht aus, ohne zu qualmen«, verkündete Lena und kramte eine Schachtel aus ihrer Reisetasche. Unser netter Öko-Student traute sich wahrscheinlich nicht, etwas dagegen einzuwenden, weil Lena in jederlei Hinsicht einen schlagfertigen Eindruck machte. Auch deswegen liebte ich es, mit Lena unterwegs zu sein: Die Leute hatten einfach Respekt vor ihr. Selbst die schrägsten Typen hauten ab, wenn Lena ihnen einen bösen Blick zuwarf. Bei mir war es anders: Ich hatte einfach diese ruhige und gutmütige Ausstrahlung und musste aufpassen, nicht zu nett zu sein. Meine Ironie verstanden sowieso die wenigsten Leute.
    In Freiburg war alles so, wie ich es in Erinnerung hatte: die Gassen mit Kopfsteinpflaster, die mittelalterlichen Kirchen, die Bäckerei, die so tolle Butterbrezeln verkaufte und natürlich schon um sechzehn Uhr dichtmachte. Lorraine grüßte uns kaum, als wir mit unseren Koffern hereinkamen. Sie war schlecht gelaunt, weil die Handwerker ein Zimmer nicht pünktlich renoviert hatten und angeblich zu teuer waren. Wie immer war sie der Meinung, dass die ganze Welt gegen sie war und alle nur an ihr hart verdientes Geld wollten.
    Laura, die Frau, die sich damals um mich gekümmert hatte, als ich krank war, wohnte immer noch hier, seit mittlerweile zweieinhalb Jahren. Als sie mich wiedererkannte, gab es Küsschen und Umarmungen. Alle anderen Frauenhingegen waren von Lorraine persönlich rausgeschmissen worden.
    »Ich dulde hier niemanden mehr, der Drogen nimmt, die Gäste versaut und mich hinter meinem Rücken bescheißt«, erklärte uns Lorraine und stimmte ein allgemeines Lamento an über schlechte Mitarbeiterinnen und die Schwierigkeit, überhaupt vernünftige Mädels zu finden. Gleich anschließend fragte sie mich überfreundlich: »Wie steht es mit deinem Studium, Schatz?« Ich lächelte nur zuversichtlich.
    »Ich denke, die Frauen hat sie nicht rausgeschmissen, sondern die haben sich verpisst«, sagte Lena, als wir uns um drei Uhr nachts die Zähne putzten.
    Ich zuckte mit den Achseln. »Lorraine ist immer so. Sie lächelt dich an und eine Sekunde später jagt sie dich zum Teufel.«
    Wir mussten uns erst daran gewöhnen, früh am Tag aufzustehen – wenn wir in der Nacht zuvor spät ins Bett gekommen waren, war es verdammt hart, wenn der Wecker um acht Uhr morgens klingelte. Dass die arbeitende Bevölkerung zu dieser Zeit schon längst auf den Beinen war, war uns unvorstellbar.
    Ich fühlte mich wie in einer Parallelwelt. An mein Studium konnte ich mich kaum erinnern, ich hatte diesmal auch keine Bücher dabei.
    Einmal telefonierte ich mit einem Kommilitonen, um ihn zu fragen, wann die nächste Hausaufgabe für die Differentialgleichungsvorlesung abzugeben war.
    »Ich arbeite schon seit einer Woche daran. Nächste Woche ist Abgabetermin«, lautete die Antwort.
    »Ich halt

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